Quelle: jungefreiheit.de
Nichts illustriert das allmähliche Abgleiten unserer Demokratie in die latent totalitäre Herrschaftsstruktur, die der britische Politologe Colin Crouch als „Postdemokratie“ beschrieben hat, besser als das sogenannte Gender Mainstreaming. Als die Regierung Schröder 1999 per Kabinettsbeschluß festlegte, „die Gleichstellung von Frauen und Männern zum durchgängigen Leitprinzip“ bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen der Bundesregierung zu machen und „diese Aufgabe als Querschnittsaufgabe unter dem Begriff Gender Mainstreaming zu fördern“, kannte diesen Begriff noch kaum jemand in Deutschland.
Trotzdem war der lange Marsch des radikalen Feminismus durch die Institutionen mit diesem Schritt schon so gut wie ans Ziel gelangt. Das Parlament hatte noch nicht einmal darüber beraten. Das fast völlige Ausbleiben bürgerlichen Widerstands gegen diese tiefgreifende Weichenstellung lag neben deren Verborgenheit in einer geschickten Camouflage: „Gleichstellung“ von Mann und Frau scheint prima vista den Verfassungsauftrag aus Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes zu erfüllen. Während aber die dort erwähnte „Gleichberechtigung“ die formalrechtliche Gleichheit vor dem Gesetz und die Wahrung gleicher Chancen für beide Geschlechter meint, zielt „Gleichstellung“ auf etwas völlig anderes ab, nämlich eine Ergebnisgleichheit bei allen attraktiven Stellenbesetzungen im öffentlichen und privaten Sektor.
Dürftige Wissenschaftlichkeit
Eine solche Parität ist nur durch strikte Quotenvorschriften zugunsten von Frauen zu erreichen. Vor allem im akademischen Bereich bedeutet das in zahllosen konkreten Einzelfällen eine staatlich erzwungene, planmäßig organisierte Männerdiskriminierung. Der Geist des Grundgesetzes wird so in sein gerades Gegenteil pervertiert. Die Einführung der Gender Studies ins Deutsche Hochschulsystem und deren massive Förderung durch Bundes- und Länderregierungen egal welcher Parteifärbung sind nur im erweiterten Kontext dieses Geschlechterkampfes zu verstehen. 185 Genderprofessuren gibt es mittlerweile in Deutschland, ein mit hohen Millionenbeträgen finanziertes Professorinnenprogramm, dazu ein eng geflochtenes Netzwerk von Gleichstellungsbeauftragten und entsprechenden Beratungsstellen.
Dort knallen dann schon einmal die Sektkorken, wenn wieder ein Lehrstuhl, ein Institut zur männerfreien Zone gemacht werden konnte. Wer gegen dieses System aufbegehrt, bringt sich um seine Karrierechancen, was die große Zahl männlicher Mitläufer – im feministischen Jargon: Pudel – erklärt. Um die „politische Rahmung der Geschlechterforschung“ (Stefan Hirschauer) machen deren Betreiber gar keinen Hehl – und bestätigen damit indirekt die dürftige Wissenschaftlichkeit ihrer Disziplin. Die naturwissenschaftliche Erforschung geschlechtsspezifischer Unterschiede, die sich an biologischen Daten und Fakten orientiert, begreifen sie explizit als „Konkurrenz“ und verbitten sich „biologische Übergriffe“.
Gender-Forschung als euphemistische Bezeichnung für die Produktion ideologischer Pamphlete
Mit aller Macht und nötigenfalls aggressiver Polemik verteidigen sie das zentrale Gender-Dogma: daß das „soziale Geschlecht“ dem natürlichen quasi willkürlich aufsitzt, ein rein gesellschaftlich konstruiertes ist – und mithin auch ein veränderbares. Gender-Hohepriesterin Judith Butler hat es fertiggebracht, sogar das biologische Geschlecht als bloß kulturell und biographisch konstruiert darzustellen. Ergebnis solcher Gehirnwäsche sind dann Eltern, die ihre Kinder „geschlechtsneutral“ erziehen, um ihnen die Freiheit der späteren Geschlechtswahl zu lassen.
Der Begriff Gender-Forschung erscheint vor diesem Hintergrund als euphemistische Bezeichnung für die Produktion ideologischer Pamphlete, nicht selten auch pseudowissenschaftlich sublimierter „Haßrede“. Wissenschaftliche Forschung setzt Ergebnisoffenheit voraus, die ideologische Voreinstellung der Gender Studies widerspricht dem eklatant und rückt deren Wesen und Funktion eher in die Nähe des Marxismus-Leninismus in der DDR. Wenn daher seitens der Gender-Ideologen die Forderung nach einem Stopp der Genderförderung als Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit bezeichnet wird, so bedeutet das den dreisten Versuch einer Beweislastumkehr.
Es gilt, die Redefreiheit zu verteidigen
Den Beweis oder auch nur plausiblen Beleg ihrer Wissenschaftlichkeit sind die Gender Studies bisher schuldig geblieben. Im übrigen sind schon viele Forschungsprogramme ausgelaufen, weil ihr Potential erschöpft war oder der Zeitgeist über sie hinwegging, ohne daß irgend jemand die Wissenschaftsfreiheit dadurch gefährdet sah. Ein Ende der Förderung der Gender Studies wäre um so dringender geboten, als ihre destruktiven gesellschaftlichen Auswirkungen, allen voran die schleichende Vergiftung des Geschlechterverhältnisses, bereits offen zutage liegen.
Wer erlebt hat, mit welcher Aggressivität genderbewegte Juso-Frauen auf deren jüngstem Parteitag das Recht auf Tötung ungeborener Kinder bis zum Tag vor der Geburt forderten und Parteigenossinen mit verbliebenen Mütterlichkeitsgefühlen niedermachten, dem muß es grauen vor den buchstäblich blutigen Folgen des Gender-Feminismus.
Was an kulturwissenschaftlicher Geschlechterforschung wertvoll ist, kann auch und besser in traditionellen Disziplinen wie der Literaturwissenschaft seine Heimstadt finden. Und Professorinnen, die wissenschaftlich überzeugen, brauchen keine Quote. Es gilt, das Ethos der Wissenschaft, die Gleichbehandlung aller Staatsbürger und die Redefreiheit gegen alle Versuche ihrer totalitären Einebnung zu verteidigen.
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Dr. Marc Jongen war bis 2017 Dozent für Philosophie und ist kulturpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag.
JF 8/19
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