Quelle: jungefreiheit.de
von Dieter Stein
Für helle Aufregung hat bei vielen Christen ein Besuch deutscher Bischöfe auf dem Tempelberg am 20. Oktober in Jerusalem gesorgt. Ein Bild, das die JUNGE FREIHEIT in der vergangenen Ausgabe abdruckte, zeigt den EKD-Ratsvorsitzenden und bayerischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und den katholischen Kardinal Reinhard Marx gemeinsam mit dem islamischen Geistlichen Scheich Omar Awadallah Kiswani neben dem Felsendom. Das Auffällige: Beide Bischöfe haben ihre großen Bischofskreuze, die sonst an Ketten um ihren Hals hängen, unter den Gewändern verschwinden lassen.
Viele unserer Leser äußerten sich entsetzt über das Verhalten, das an Kapitulation grenze, als mangelnde Bereitschaft, sich als Christ aufrecht zum Glauben zu bekennen. Welches Beispiel geben sie für die in islamischen Ländern bedrohten Christen? Jesus selbst habe nach dem letzten Abendmahl seinen Jünger Petrus gewarnt: „In dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ Woraufhin Petrus erklärte: „Und wenn ich mit dir sterben müßte, so will ich dich nicht verleugnen.“ Doch er verleugnete ihn.
Sie hätten auf den Auftritt verzichten können
Was sind darüber hinaus Gründe für die Empörung über dieses Bild? Daß viele Gläubige den Eindruck gewinnen mußten, daß Repräsentanten der christlichen Kirchen ihren Glauben grundsätzlich nicht aufrecht genug verteidigen. Daß die Unterwerfungsgesten gegenüber dem Islam und die Relativierung der Unterschiede zwischen den Religionen ein unerträgliches Maß erreicht haben. Daß für die Kirchen Politik, Klimarettung, die Warnung vor der „rechtspopulistischen“ AfD (bei gleichzeitiger Indifferenz gegenüber einer atheistischen Linken) wichtiger sind als das Bekenntnis zu Christus, Seelsorge und die Erfüllung des Missionsauftrages.
Die Sache mit dem Auftritt auf dem Tempelberg entpuppt sich als komplizierter. Bedford-Strohm erklärte jetzt in einer Pressekonferenz, man habe auf das Zeigen des Kreuzes sowohl auf dem Tempelberg als auch an der Klagemauer auf Wunsch der muslimischen, aber auch der jüdischen Seite verzichtet. Kenner der Lage in Jerusalem bestätigen, daß respektvolle Zurückhaltung an beiden Orten zu empfehlen sei. Nur: Die Bischöfe hätten angesichts dessen auf ihren demonstrativen Auftritt an beiden Orten schlicht verzichten können.
JF 45/16