von Martin Lohmann
Wie soll man reagieren auf den Terror? Hat die Terrorwelle etwas mit dem vielfach unkontrollierten Flüchtlingsstrom, der seit Merkels Tür- und Grenzöffnung Europa und vor allem auch Deutschland verändert hat, zu tun? Sind alle Freiheit und Menschenwürde hassenden Brutalmörder immer nur Einzeltäter? Wer oder was hat sie mental gespeist?
Haben diese Täter, die sich auf ihren Islam berufen, wirklich gar nichts mit dem Islam zu tun? Ist man ein Hetzer und Hasser, wenn man sich um die Sicherheit sorgt und gegen mörderische Hetze und tödlichen Haß ist? Ist man ein gefährlicher Fundamentalist, wenn man für das Fundament der Freiheit, des Respekts und der wehrhaften Toleranz plädiert?
Sind islamistische Halsdurchtrenner und Kopfabschneider oder triebgesteuerte und frauenverachtende Vergewaltiger nur im seltenen und dann ganz überraschenden Einzelfall psychisch gestört? Sind die traumatischen Erfahrungen auf der Flucht ein Grund für Haß und Gewalt? Haben nicht auch christliche Flüchtlinge schwere Traumata?
Warum haben es aufgeklärte und friedliebende und toleranzbereite Muslime, die ein gutes und selbstverständliches Miteinander suchen, offenbar so schwer in einem bislang unaufgeklärten Islam? Ist der Haß von Muslimen auf friedliebende Christen muslimisch? Sind Mohammed und Christus vergleichbar? Ist es tatsächlich derselbe Gott, an den Christen und Muslime glauben? Wo also läge dann das Problem?
Peinliche Sprachlosigkeit
Die barbarische Tat, bei der einem alten, friedfertigen und treuen Priester Gottes unter Anrufung Allahs und angeblich in seinem Namen während der heiligen Messe in Frankreich der Kopf abgeschnitten wurde, wirft nicht nur Fragen auf, sondern produziert vielfach pure Wut.
Aber auch peinliche Sprachlosigkeit bei jenen, die als medienaffine und applausgeneigte Bischöfe ansonsten gerne das sagen, was hoffentlich gut ankommt. Wenn es gar Kardinäle sind, die als Zeichen ihrer stets gebotenen Bereitschaft, für die Wahrheit Christi einzustehen, einst den blutroten Purpur verliehen bekamen, denen wenig oder gar nichts einfällt, dann wird es dramatisch – und offenbart eine Leere, die nichts mehr mit der Lehre zu tun hat.
Rainer Woelki versteht es, mit markigen Worten vor der Kulisse seines Domes, der nicht seiner ist, aufzutreten. Manches gerät dann schon mal wohl klingend aber sachlich falsch. Da kann dann auch ein Kardinal sehr rasch in parteipolitische Niederungen hinabsteigen oder abrutschen, die er dann – unter Umgehung wirklicher theologischer Kenntnisse – auch mit vermeintlich geistreichen vergleichenden Gleichsetzungs-Sprüchen von Kirchturm und Minarett garniert. Differenzierung? Fehlanzeige.
Woelki will erst einmal ankommen
Nein, das sei nun wirklich nicht sein erstes Ding, sagen Kenner. Woelki will erst einmal ankommen. Und: Er will sich – offenbar stark getrieben – vor allem absetzen von seinem Übervater und Allesgönner Joachim Kardinal Meisner. Woelki hat den Ehrgeiz, ganz anders zu sein. Ist er auch. Meisner verstand zum Beispiel in Fragen des unbedingten Lebensschutzes theologisch und unerschrocken zu argumentieren.
Dieser hätte den 23.000 Glockenschlägen für die bis dahin im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge, die Meisners Nachfolger mit einer mediengerechten und aufwendigen Großveranstaltung beeindruckend ins Bewußtsein hob, irgendwann sechs Millionen Glockenschläge für die seit Jahrzehnten allein in Deutschland getöteten noch nicht geborenen Menschen folgen lassen. Woelki tut das – bisher noch – nicht. Dabei wäre (auch) dieser Weckruf so notwendig. Denn: Willkommenskultur ist nicht teilbar, wenn es um das Lebensrecht geht.
Gar nicht gut angekommen sind jetzt aber bei vielen die von ihm in seiner Spur unkritischer und weitgehend anspruchsfreier Willkommenskultur zelebrierten Gleichsetzungen von Allah und Gott. Während ein Robert Kardinal Sarah aus Guinea, der in Rom die Kongregration für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung der katholischen Kirche leitet, nach dem Mord an Abbé Jacques Hamel vielen aus dem Herzen sprach, als er sagte: „Wie viele Tote braucht es, wie viele abgeschlagene Köpfe, bis die europäischen Regierenden die Lage begreifen, in der sich der Westen befindet?“, hörte man von Woelki nichts Hilfreiches.
Sät das Christentum etwa Haß?
Andere verstiegen sich in von Äquidistanz gesteuerte Allgemeinplätze mit Betroffenheits-Tremolo, als gehe es eher allgemein darum, daß jetzt Haß zwischen Religionen gesät werden solle. Sät das Christentum etwa Haß? Wer schneidet denn wem den Kopf ab? Heißt nicht der christliche Auftrag gar „Liebet eure Feinde“? Nicht so einfach, wenn – woher auch immer – „ganz allgemein“ Haß zwischen den Religionen gesät werden soll.
Derweil schweben nach wie vor Woelkis gut gemeinte Kommentierungen im Raum, mit denen er von demselben Gott der Christen und Muslime träumt. Da besteht nun dringend Aufklärungs- und Korrekturbedarf. Die wegen versäumter oder auch überfordernder Differenzierung entstehenden Mißverständnisse sollten nicht bleiben. Sie sind zu irritierend und verwirrend.
Daß ein Kardinal besser daran täte, in erster Linie die vernachlässigte und verwaschene Glaubens- und Missionskraft der Christen zu stärken, sei nur am Rande erwähnt. Auch sei ausdrücklich betont, daß es keine Alternative zur Willkommenskultur geben kann. Aber nicht zum Null- oder Minustarif! Willkommenskultur darf keine kardinale Einbahnstraße sein. Sie verlangt nach klaren Regeln und Pflichten auch bei jenen, die willkommen sind und sein müssen. Allein Gefühliges nützt nichts, schadet eher – auch wenn es aus einem Kardinalsmund kommt.
Der christliche Gott ist barmherzig
Natürlich gibt es Verbindungen zwischen den „Gottesbildern“. Juden, Christen und Muslime glauben an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Jahwe, der Gott Israels, wird kein anderer, weil er nach christlichem Glaubensbekenntnis seinen Sohn sandte und die Dreifaltigkeit offenbarte. Er ist und bleibt derselbe.
Beim später entstandenen Islam hingegen sieht es anders aus. Das in Sure 2,163 formulierte Bekenntnis zur Einheit und Einzigartigkeit Gottes ist eben auch – wie der Theologe Ulrich Nersinger festhält – „bewußt und konkret gegen die Inkarnations- und Trinitätslehre der Christen gerichtet“. Daher heißt es auch in Sure 5,73: „Ungläubig sind diejenigen, die sagen: ‘Gott ist der Dritte von dreien’, wo es doch keinen Gott gibt außer einem einzigen Gott.“ Denn fälschlicherweise stellt der Koran die Dreifaltigkeit Gottes als göttliche Familie dar, also bestehend aus Gott, Jesus und seiner Mutter Maria.
Derselbe Gott? Und: Sind etwa Mohammed als Prophet und Jesus Christus als Sohn Gottes und Gott vergleichbar? Ist es wirklich derselbe Gott, der nach christlicher Erkenntnis sich als liebender Vater zeigt, barmherzig, gerecht und verzeihend ist und mit seinem Geschöpf in Dialog tritt? Der uns durch die Heilige Schrift, die eben nicht ein Koran ist, wissen läßt, daß Er die Liebe ist?
Unterwerfung im Namen Allahs
Von dem es im Johannesbrief (1 Joh 4,48) heißt: Wer nicht liebt, kennt Gott nicht. Ein Gott, der zum Respekt aufruft, zur Feindesliebe, zum Vergeben, der Freiheit will und selbst den Sünder, nicht aber die Sünde liebt. Ein Gott, der niemals zum Töten aufruft oder einlädt. Derselbe Gott?
Ist es derselbe Gott, wenn einerseits Liebe geboten und Gewalt verboten wird, andererseits im Namen Allahs die – auch gewaltsame – Unterwerfung zum Islam gefordert ist? Ist es derselbe Gott, wenn das Nutzen der – einerseits gegebenen und andererseits verbotenen – Religions- und Gewissensfreiheit mit dem Tode bestraft wird?
Wie kommt ein deutscher Kardinal auf die abenteuerliche Idee, ernsthaft in einem Kommentar zu behaupten, daß sich Christen und Muslime „gerade auch in unserem politischen Handeln allein dem einen und wahren Gott verpflichtet“ wissen? Wo sind denn die Gemeinsamkeiten bei Religionsfreiheit, Glaubensfreiheit, Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau durch nicht abgestufte Personen- und Menschenwürde?
Es gibt Gemeinsamkeiten, zweifellos. Aber eben auch eklatante Unterschiede zwischen Allah und Gott. Nicht umsonst warnte Franziskus 2015 vor den „Fallstricke(n) eines Synkretismus“, der „zwar versöhnlich ist, aber letztlich inhaltslos und Vorbote eines Totalitarismus ohne Werte“.
Dialog muß mit Mut geführt werden
Später sagte er, als er die Geschwisterlichkeit von Christen und Muslimen beschrieb: „Wer behauptet, an Gott zu glauben, muß auch ein Mensch des Friedens sein. (…) Sagen wir gemeinsam ‘nein’ zum Haß, zur Rache, zur Gewalt, besonders zu jener, die im Namen einer Religion oder im Namen Gottes verübt wird! Gott ist Friede.“ Dieser Gott wird tatsächlich dringend gebraucht. Wenn es denn so gesehen tatsächlich derselbe ist oder wäre, dann wären auch kardinale Träume mehr als gut gemeint.
Wir brauchen ein mutiges und waches Miteinander von Christen und Muslimen. Zweifellos. Dazu gehören Ehrlichkeit, Respekt und Einsicht. Der absolut notwendige Dialog ist absolut notwendig. Ja. Aber er muß mit Kenntnis, Wissen, Klugheit und Mut geführt werden. Und er darf vor allem auch nicht ausklammern, daß die friedliche Mission zum Kernauftrag des Christen gehört und nicht unter Gefühlen vermeintlicher Gleichheit komatisiert werden darf. Und es gilt stets, was Benedikt XVI. in Regensburg wohl begründet sagte: Gewalt steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele.
Nicht nur Kardinäle sollten wissen, daß Jesus von Nazareth der Christus und Gottessohn ist, der in gebotener Toleranz sagte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Jo 14,6). Drunter und billiger ist nun mal nicht mehr christlich. Und es entspricht nicht dem Gottesbild der Christen. Denn die müssen wollen, daß alle zum liebenden und gerechten Vater kommen können. Denn der einzige Gott ist Liebe! Für alle. Deus Caritas Est.
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Martin Lohmann ist Theologe, Historiker und Publizist.