Quelle: ead.de
Wetzlar (idea) – Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Karlsruhe) verstößt das Betreuungsgeld von 150 Euro monatlich für Eltern, die ihr Kind zwischen dem 15. und 36. Monat zu Hause betreuen, gegen das Grundgesetz. Begründung: Das Betreuungsgeld sei Ländersache. Hat das Gericht damit den Familien geschadet? Das fragt die Evangelische Nachrichtenagentur idea (Wetzlar) in einem Pro und Kontra.
Wahlfreiheit sieht anders aus
Der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb (Stuttgart), bejaht die Frage aus mehreren Gründen. Vollzeitmütter würden diskriminiert. Das Urteil wiederhole gebetsmühlenartig „die unsinnige und nicht bewiesene Behauptung, familienferne Betreuung bringt mehr für die Bildung von Kleinkindern als die ununterbrochene Aufmerksamkeit der Eltern“. Das Urteil entziehe nun Müttern und Vätern selbst die kleinste Anerkennung für die Entscheidung, ihr Kind in der ersten Lebensphase ganz selbst zu betreuen. Die Wahlfreiheit werde weiter eingeschränkt. Steeb: „Denn das staatliche Füllhorn wird nur über jenen ausgeschüttet, die sich für die außerfamiliäre Betreuung entscheiden: Subventionierung des Betreuungsplatzes, dadurch mögliches Erwerbseinkommen und spätere bessere Altersversorgung. Wer eine andere Wahl trifft, wird finanziell und sozialrechtlich benachteiligt.“ Steeb zufolge müsste nach der Logik des Gesetzes auch die milliardenschwere einseitige Subventionierung der familienfremden Betreuung in Kitas eingestellt werden: „Aber da es keinen Kläger gibt, machen die Richter die Augen zu.“ Laut Steeb haben die Verfassungsrichter das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1998 nicht berücksichtigt, in dem gefordert wurde, der Staat habe die Erziehung der Kinder „in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern“.
Das Betreuungsgeld liegt nicht im öffentlichen Interesse
Anderer Auffassung ist die Juristin Sabine Mundolf (Berlin), die als wissenschaftliche Referentin der „evangelischen arbeitsgemeinschaft familie“ tätig ist, einem Kompetenzzentrum der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sie begrüßt das Urteil als „Ende eines kontraproduktiven familienpolitischen Instruments“. Die frei werdenden Mittel müssten in die Verbesserung des Angebots und der Qualität von Kitas investiert werden. Mundolf: „Denn Eltern wünschen sich mehr Betreuungsplätze, ein verlässliches, flexibles, ihrem tatsächlichen zeitlichen Bedarf entsprechendes Angebot, das sich durch hohe Qualität auszeichnet und nicht – wie häufig immer noch – mittelmäßig ausgestaltet ist.“ Investitionen in institutionelle Kinderbetreuung zahlten sich für alle Kinder aus, weil sie ein wichtiger Beitrag zur Bildung seien. Ein gut ausgebautes Betreuungsangebot ermögliche allen Eltern, einer Erwerbstätigkeit im gewünschten Umfang nachzukommen. Dies sei für viele Mütter wichtig, um sich durch eigenes Einkommen vor Armut zu schützen. Wahlfreiheit für alle sei nur dann hergestellt, wenn Eltern auf das benötigte Angebot zugreifen könnten. Mundolf ist überzeugt: „Das Betreuungsgeld liegt nicht im öffentlichen Interesse.“