26. Januar 2022

Rolf Trauernicht: Standhaft gegen alle Widerstände

Quelle: ead.de

Kommentar über den Kongress für Sexualethik und Seelsorge des Weißen Kreuzes in Kassel

Es kommt mir vor wie ein Traum: In aller Ruhe und mit großer Begeisterung haben wir den alle zwei Jahre stattfindenden Kongress für Sexualethik und Seelsorge vom Weißen Kreuz für Ende Mai in Kassel vorbereitet. Mit rund 30 Seminaren zu den Themen, die unsere Berater in den über 170 Beratungsstellen bewegen, wollten wir eine gute Fortbildung sicherstellen. Dazu hatten wir auch Referenten von den evangelikalen Organisationen „Wüstenstrom“ und der Offensive Junger Christen (OJC) eingeladen. Das brisante und sensible Thema Homosexualität hatten wir nicht auf dem Programm.

Doch dann kam alles anders

Doch dann kam alles anders. Ungefähr drei Wochen vor dem Kongress organisierten sich zahlreiche prohomosexuelle Initiativen (Grüne, Christopher Street Day u. a.) zu mehreren Protestmärschen. Bei ihrem Vorbereitungstreffen, an dem wir zu zweit teilnehmen wollten, wurden wir freundlich, aber mit großer Mehrheit ausgeladen. Dann nahm alles seinen Lauf: Protestmarsch in der Stadt gegen uns, eine Demonstration vor unserem Veranstaltungsgelände usw. Die Polizei musste uns schützen. Es gab Farbbeutelwürfe auf zwei Gebäude. Fernsehen, Radio und Zeitungen wurden auf uns aufmerksam. Es gab Überschriften wie „Homoheilerkongress“. Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Kassel (mit Ausnahme der CDU-Fraktion) und die Diakonie Hessen meinten, sich von den Referenten der OJC und von „Wüstenstrom“ distanzieren zu müssen. Und das alles nur, weil sie u. a. auch Homosexuellen helfen, die Hilfe suchen. Immerhin standen die christlichen Werke (Gnadau, CVJM und EC) in Kassel voll hinter uns. Der Kongress war trotz allem inhaltlich sehr gesegnet.

Was uns nachdenklich macht

Es war aber kaum möglich, den Medien deutlich zu machen, dass wir beim Thema Homosexualität nicht von Krankheit reden. Das war zwar bis vor 20 Jahren die Meinung der Weltgesundheitsorganisation. Doch wir vertreten das gar nicht. Wir beraten vielmehr wie „Wüstenstrom“ und OJC Menschen, die mit ihrer Neigung Konflikte haben und um Hilfe bitten. Davon lassen wir uns auch nicht abbringen. Wir haben bei den Auseinandersetzungen um unseren Kongress erlebt, dass der Einfluss derer, die sich sexuelle Vielfalt auf ihre Fahnen geschrieben haben, – besonders bei den Medien – enorm wirkungsvoll ist. Unser Wissen und unsere Erfahrung sollen offensichtlich einfach nicht gehört werden. Wir nehmen auch wahr, dass es nicht nur der Evangelischen Kirche zunehmend schwerfällt, eine klare Position zu diesem Thema zu beziehen. Auch evangelikal geprägte Gemeinden vermeiden das Thema, um nicht als konservativ gebrandmarkt zu werden.

Liebe und Barmherzigkeit für Betroffene

Wir aber wünschen uns nicht nur mehr Diskussionen zu diesen Themen (Homosexualität, Gender, sexuelle Vielfalt u. a.), sondern auch, dass Gemeinden am Wort Gottes orientierte Positionen beziehen. Dabei muss die Liebe und Barmherzigkeit zu den Betroffenen, die Hilfe suchen, und zu denen, die unser Anliegen nicht verstehen, immer sichtbar werden.

[Der Autor, Rolf Trauernicht, ist Leiter des evangelischen Fachverbandes für Sexualethik und Seelsorge „Weißes Kreuz“ (Ahnatal/Kassel)]