22. Januar 2022

Wahl in Russland: „Paradebeispiel für Heuchelei und Lüge“

Quelle: idea.de

Foto: Andrea Damm/pixelio.de

Moskau (idea) – Nach Protesten gegen Wahlmanipulationen in Russland hat die Russisch-Orthodoxe Kirche jetzt strengere Kontrollen gefordert.

Der Leiter der Abteilung des Moskauer Patriarchats für die Beziehungen zwischen Kirche und Gesellschaft, Erzpriester Vsevolod Chaplin, plädierte für einen „nationalen Dialog“ über den Wahlprozess und dessen zivilgesellschaftliche Kontrolle. Mehrere russisch-orthodoxe Geistliche haben sich im Internet kritisch geäußert. In einem Kommentar, der im orthodoxen Nachrichtenportal pravmir.ru veröffentlicht wurde, bezeichnete der theologische Dozent Theodor Ljudogowski (Moskau) die Wahl als „Paradebeispiel für Heuchelei und Lügen“. Das sollten und könnten Christen nicht hinnehmen. Ljudogowski verweist auf Jesus, der die Pharisäer der Heuchelei und Lüge geziehen habe. Der Theologe: „Und wer ist der Vater der Lüge? Der Heiland hat uns das sehr klar gesagt.“ Jesus hatte den Teufel so gekennzeichnet (Johannes-Evangelium 8,44).

Wahlkommission mit dem Kreml verbündet?

Internationale Wahlbeobachter hatten bei der Parlamentswahl vom 4. Dezember erhebliche Verletzungen demokratischer Grundregeln festgestellt. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprach von Manipulationen. Am Tag nach der Wahl hatte die Zentrale Wahlkommission die Partei „Einiges Russland“ von Ministerpräsident Wladimir Putin und Staatspräsident Dimitri Medwedew zum Sieger erklärt. Sie habe 49,5 Prozent der Stimmen erhalten und damit 238 von 450 Mandaten erreicht. Damit verlor sie zwar ihre Zweidrittelmehrheit, erreichte aber die absolute Mehrheit in der Duma. Wie die ökumenische Nachrichtenagentur ENInews (Genf) anmerkt, wird der Wahlkommission oft vorgeworfen, mit dem Kreml verbündet zu sein. Inzwischen sind Zehntausende Bürger aus Protest gegen Wahlbetrug auf die Straße gegangen. Am 4. März sollen Präsidentschaftswahlen stattfinden. Dabei tritt Putin erneut als Kandidat an. Der 59-Jährige amtierte in diesem Amt bereits von 2000 bis 2008. Von den 140 Millionen Einwohnern Russlands zählen etwa 64 Prozent zu orthodoxen Kirchen; 1,2 Prozent sind Protestanten und 0,6 Prozent Katholiken. Muslime stellen 12,5 Prozent der Bevölkerung und Buddhisten 0,7 Prozent. Der Rest ist religionslos oder gehört anderen Glaubensrichtungen an.