28. Mai 2022

„Ewiges Leben“ online immer gefragter

Quelle: idea.de

Foto: Erich Westendarp/pixelio.de

München/Düsseldorf (idea) – Es gibt ein immer größeres Interesse daran, auch nach dem Tod nicht vergessen zu werden. Das zeigt der Boom entsprechender Internetseiten. Dort können Angehörige das Andenken an ihre Verstorbenen aufrechterhalten. Die Trauerstätten im Netz ermöglichen es Hinterbliebenen Lieblingsfotos, Videos oder einen Lebenslauf des Toten auf einem speziellen Profil einzustellen. Zudem können dort Grabsteine gestaltet und virtuelle Kerzen angezündet werden.

Mit rund 270.000 Gedenkstätten ist emorial.de (München) das größte Internet-Trauerportal in Deutschland. Laut den Betreibern registriert die Trauerplattform rund 200 bis 300 Besucher pro Tag. Am Ewigkeitssonntag (20. November) rechnen die Anbieter mit bis zu 3.000 Nutzern auf der Seite. Die evangelische Kirche hat den Trend längst erkannt und betreibt seit rund zehn Jahren ein eigenes Portal. www.trauernetz.de (Düsseldorf) ist eine Kooperation der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD). Die Seite ist eine Anlaufstelle für Menschen, die mit dem Verlust eines nahen Angehörigen umgehen müssen. Gebete, Gedichte, Texte, Musik und praktische Tipps leisten eine Hilfestellung im Umgang mit der Trauer.

Ein Mausklick zum Verstorbenen

Viele Hinterbliebene schätzen an den Angeboten, dass der Verstorbene nur einen Mausklick entfernt ist. „Die Menschen haben sich immer ein Bild vom Jenseits gemacht. Heute dient das Internet als Kontaktstelle zu diesem Jenseits“, sagte Pfarrerin Carmen Berger-Zell, Mitherausgeberin von www.trauernetz.de, gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Damit stehe dieser neue Trauerkult nicht im Gegensatz zum christlichen Glauben an das ewige Leben nach dem Tod. Mit den Profilen im Netz solle vielmehr etwas von den Verstorbenen in dieser Welt bleiben. Die Nutzer der Portale seien meistens Eltern, die ihre Kinder plötzlich verloren haben oder Angehörige von Suizidopfern und vorzeitig Verstorbenen. Sie fänden in der Kommunikation mit anderen Betroffenen im Netz Halt und Verständnis. Durch diesen Austausch stellten Trauernde fest, dass sie nicht allein mit dem Verlust seien. „Gerade in den ersten drei Jahren nach dem Tod nutzen Angehörige die digitale Möglichkeit, auf den Seiten des Verstorbenen Nachrichten und Berichte zu hinterlassen.“ Nach dieser intensiven Phase lasse diese Trauerform nach, so die Erfahrung von Berger-Zell.

Internet ersetzt Friedhof nicht

Jahrhundertelang war der Friedhof die zentrale Institution des Totengedenkens. Ihn ersetzen werde diese neue Form des Gedenkens aber nicht, so die Seelsorgerin. Friedhöfe, einen Gedächtnisaltar in der Wohnung oder eine Kennzeichnung des Sterbeorts werde es immer geben. Das Internet sei ein zusätzlicher, paralleler Raum. Spiele der Friedhof bei der Trauer keine Rolle, seien auch die digitalen Gedenkstätten nicht gefragt.

Digitalen Nachlass verwalten

Der Trend zur Trauerstätte im Internet hängt auch mit dem zunehmend digitalen Leben zusammen. Immer mehr Menschen nutzen bereits zu Lebzeiten Online-Netzwerke. Im Gegensatz zum realen Leben endet die Präsenz im Netz nicht automatisch mit dem Tod. Die Verwaltung des Online-Nachlasses wird dadurch zu einem immer größeren Thema. Viele Plattformen wie Facebook ermöglichen Hinterbliebenen, die Profilseite des Verstorbenen in eine Gedenkseite umzuwandeln. Spezielle Dienstleister bieten an, Passwörter von Online-Portalen aufzubewahren und post mortem an Angehörige zu verschicken. So können Hinterbliebene entscheiden, was mit dem digitalen Nachlass des Toten geschieht. Obwohl laut Schätzungen jährlich circa 375.000 Facebook-Mitglieder sterben, sind professionelle Online-Nachlassverwalter noch ein Randphänomen.