Quelle: idea.de
Berlin (idea) – Sie mahnen ihre „Schäfchen“ zur Bewahrung der Schöpfung, aber im eigenen Umweltverhalten sind längst nicht alle evangelischen und katholischen „Oberhirten“ vorbildlich. Mehr als die Hälfte der 46 Kirchenleiter, die die Deutsche Umwelthilfe (DUH) befragte, fahren mit Dienstwagen, die deutlich zu viel Kohlendioxid (CO2) ausstoßen.
Das Gas wird für die Erwärmung der Atmosphäre verantwortlich gemacht. Laut einer Erhebung, die die DUH am 25. Oktober in Berlin vorstellte, fahren nur 4 der befragten Kirchenleiter dienstlich mit Autos, die beim Co2-Ausstoß den EU-Zielwert für das Jahr 2008 (140 Gramm CO2 pro Kilometer) erreichen. Sie erhalten die „grüne Karte“ der Umweltorganisation. 16 Kirchenleiter liegen bis zu 20 Prozent über diesem Wert („gelbe Karte“) und 18 zwischen 20 und 60 Prozent darüber; zudem verweigerten 8 die Aussage („rote Karte“).
Evangelische Kirche erhält 4 grüne und 11 rote Karten
Alle grünen Karten gingen an Protestanten – an die Präsidentin des Kirchenausschusses der Bremischen Evangelischen Kirche, Brigitte Boehme (Bremen), den Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Alfred Buß (Bielefeld), den Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Schaumburg-Lippe, Karl-Hinrich Manzke (Bückeburg), sowie den Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig, Friedrich Weber (Wolfenbüttel). Von den evangelischen Kirchenleitern fährt der Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Ralf Meister (Hannover), am klimaschädlichsten. Er nutzt einen VW Phaeton, der 224 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt. Ebenfalls die „rote Karte“ für zu hohen Verbrauch erhielten der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein (Kassel), der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge (Berlin), der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, Ulrich Fischer (Karlsruhe), der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche der Pfalz, Christian Schad (Speyer), der Vorsitzende der Kirchenleitung der Nordelbischen Evangelisch-lutherischen Kirche, Bischof Gerhard Ulrich (Schleswig), der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Bayern, Johannes Friedrich (München), der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung (Darmstadt), und der Bischof der Evangelischen Kirche in Württemberg, Frank Otfried July (Stuttgart).
Bischöfe ermuntern zum Spritsparen, fahren aber selbst Spritfresser
Besonders gerügt wurden der badische Landesbischof Fischer und die Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann (Magdeburg). Einerseits rief sie im Rahmen der Kampagne „Klimawandel und Lebenswandel“ dazu auf, das Auto öfter stehenzulassen und spritsparend zu fahren; andererseits stieg sie nach Auslaufen ihres Dienstwagen-Leasingvertrags auf eine BMW-Limousine um, die das Klima mit 180 Gramm CO2 ebenso stark belastet wie ihr altes Fahrzeug. Der badische Landesbischof ermuntert Christen dazu, aufs Rad umzusteigen, nutzt selbst aber neben seinem Fahrrad auch einen BMW als Dienstwagen, der pro Kilometer 183 Gramm CO2 auspufft. Der Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche und Militärbischof Martin Dutzmann (Detmold) machte als einziger evangelischer Kirchenleiter keine Angaben zum Dienstwagen. Insgesamt erhielten die evangelischen Kirchen 11 rote, 6 gelbe und 4 grüne Karten. Die Bilanz der katholischen Bischöfe: 15 rote und 10 gelbe Karten.
„Bischöfe haben Benzin im Blut“
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch (Radolfzell am Bodensee) zeigte sich enttäuscht von dem Umfrageergebnis: „Viele Bischöfe predigen ihren Kirchengemeinden richtigerweise die Notwendigkeit des Klimaschutzes, haben aber selbst Benzin im Blut.“ Resch forderte die Kirchen auf, klimafreundlichere Dienstwagen anzuschaffen. Derzeit seien die Werte für das kirchliche Spitzenpersonal vergleichbar mit dem Kohlendioxidausstoß der Dienstwagen von Bundes- oder Landespolitikern.
Kirchenleiter: Niedriger Verbrauch, Bahnfahrer, gesundheitliche Gründe
Die besonders kritisierten evangelischen Kirchenleiter reagierten mit unterschiedlichen Erklärungen. Angesichts der „roten Karte“ zeigte sich Landesbischof Meister einsichtig: „Das ist eine Situation, die wir kritisch wahrnehmen. Die Leasingverträge binden uns nicht langfristig, so werden wir Alternativen prüfen.“ In Niedersachsen sei ein Bischof freilich eigentlich „per se“ verpflichtet, einen Dienstwagen aus Wolfsburg zu bevorzugen. VW habe zudem das günstigste Leasingangebot gemacht, und außerdem hätten die Verbrauchswerte des Phaeton überzeugt: 8,5 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Landesbischof Fischer hebt hervor, dass er als „überzeugter Bahnfahrer“ wo immer möglich die Schiene nutze. Er besitze eine Netzkarte und fahre immer 2. Klasse. Vom Karlsruher Bahnhof zum Kirchenamt radele er. Aus gesundheitlichen Gründen ist Bischöfin Junkermann auf ein größeres Dienstauto umgestiegen. Wegen der Gefahr eines Bandscheibenvorfalls sollte die Lehne des Rücksitzes rückenfreundlich verstellbar sein, habe der Arzt geraten. Leider habe die Kirche kein anderes Fahrzeug gefunden, das diese Voraussetzung biete und mit Leasingverträgen zu ähnlichen Bedingungen angeboten werde. Sollte sich ein umweltfreundlicheres Modell mit der benötigten Technik finden, wäre der Umstieg für sie „selbstverständlich“. Junkermann: „Der Autositz ist mein Bürostuhl.“