Quelle: idea.de
Düsseldorf (idea) – Gegen den als Fernsehpfarrer bekannten Theologen Jürgen Fliege (Tutzing/Starnberger See) hat das Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Es bestehe der Verdacht, dass der 64-jährige Ruhestandsgeistliche gegen seine Amtspflichten verstoßen habe, teilte die Kirche am 7. Oktober mit.Nach deren Pfarrdienstgesetz haben Pfarrer sich so zu verhalten, dass sie in besonderer Weise als Zeugen Jesu Christi und als Vertreter der Kirche angesehen werden. Wodurch Fliege gegen diese Verpflichtung verstoßen haben könnte, will das Landeskirchenamt nicht mitteilen. „Über Vorwürfe reden wir mit Herrn Pfarrer Fliege, aber wir reden nicht öffentlich über ihn“, sagte Pressesprecher Jens Peter Iven (Düsseldorf) gegenüber idea. Das Verfahren werde so gründlich und so zügig wie möglich geführt. Als Disziplinarmaßnahmen können auch gegen einen Pfarrer im Ruhestand ein Verweis, eine Geldbuße, eine Kürzung der Bezüge oder die Entfernung aus dem Dienst ausgesprochen werden.
„Der Gangster da oben“
Fliege arbeitete 15 Jahre als Gemeindepastor in Düsseldorf, Essen und Aldenhoven bei Aachen. Von 1994 bis 2005 moderierte er eine nach ihm benannte Talkshow in der ARD. Durch seine Äußerungen löste er wiederholt heftige Kritik aus. 1996 war die Erstauflage eines EKD-Kirchenmagazins „Brücken bauen“ aufgrund eines darin enthaltenen Interviews mit ihm nicht ausgeliefert worden. Darin hatte der Pfarrer zum Kirchenaustritt gesagt: „Wenn ihr austreten wollt, tretet aus, völlig in Ordnung, wie in der DDR weiland.“ In einem Interview mit dem Sex-Magazin „Penthouse“ hatte Fliege 1999 Gott als „den Gangster da oben“ bezeichnet. Die Verkündigung des gekreuzigten Christus sei eine „schwarze Pädagogik“, die Schuldgefühle auslöse. 2001 ließ sich der Vater von zwei Töchtern nach 19 Ehejahren scheiden. Auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover erklärte er 2005 in einem Hauptvortrag: „Ich möchte nicht, dass irgendein Lebewesen dieser Welt für meinen Scheiß geradestehen muss. Mit dem blutenden Mann am Kreuz kriege ich keinen spirituellen Frieden.“ Gott rede er nicht mehr mit ‚Herr‘ an, da er wisse, dass er das nicht sei.
„Fliege-Essenz“ und Esoterik-Kongress
In diesem Jahr stellte der Theologe nach heftiger öffentlicher Kritik den Verkauf seiner „Fliege-Essenz“ (95 Milliliter für 39,95 Euro) ein. Nach seinen Angaben hatte er über der Flüssigkeit gebetet und seine Hände aufgelegt. Aktuell steht er wegen des von ihm veranstalteten Kongresses „Wörishofener Herbst“ in der Kritik, bei dem vom 28. Oktober bis 1. November Geistheiler und ein Schamane mitwirken sollen. Nach Informationen der Rheinischen Post (Düsseldorf) hält die rheinische Kirche insbesondere die in einem Portrait der Zeitung „Welt am Sonntag“ (Berlin) wiedergegebenen Äußerungen des Fernsehpfarrers für geeignet, evangelische Amtshandlungen und Glaubensinhalte zu diffamieren. Fliege soll danach in einem Gespräch mit einem Brautpaar gesagt haben: „Gott, Kirche und so, das sei erstmal scheißegal, auf die Seele komme es an.“
Fliege: Wo ist das Problem?
In seiner Stellungnahme zu der Eröffnung des Disziplinarverfahrens geht Fliege insbesondere auf den Vorwurf ein, mit seinen religiösen Angeboten Geld zu verdienen: „Jedes gesprochene oder geschriebene Vaterunser unserer Pfarrer kostet Geld! Der Segen Gottes ist kostenlos. Das Weitergeben des Segens durch die Kirche aber nicht.“ Segen sei in der Kirche „selbstverständlich käuflich zu erwerben“: Ohne steuerpflichtige Mitglieder gebe es keinen Segen bei Trauungen und auch keine Beerdigungen. In Anspielung auf die Publikationen der ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden, Landesbischöfin a.D. Margot Käßmann (Berlin), heißt es in der Stellungnahme, auch sie verkaufe „segensreiche Wirkung mit ihrem Segen auf Papier“. Fliege weiter: „Dass Frau Käßmann und ich bei der Herstellung unserer Arbeiten hoffentlich beten und um den Segen des Herrn bitten, sollte bei Amtsträgern der Kirche eher erwartet denn kritisiert werden. Dass ich an die Kraft von Segen und Gebet glaube und öffentlich bezeuge, erst recht. Wo also ist das Problem?“