26. Mai 2022

Was Katholiken und Protestanten noch trennt

Quelle: idea.de

Foto: idea/kairospress

Wetzlar (idea) – Was haben Katholiken und Protestanten gemeinsam – und was trennt sie noch? Zu dieser Frage haben zwei Ökumene-Experten auf Einladung der Evangelischen Nachrichtenagentur idea ein Streitgespräch geführt: der Leitende Direktor des katholischen Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik in Paderborn, Prof. Wolfgang Thönissen, und der Leiter des Konfessionskundlichen Instituts des Evangelischen Bundes in Bensheim, Walter Fleischmann-Bisten.

Anlass ist der bevorstehende Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XVI. vom 22. bis 25. September. Dabei steht am 23. September auch eine Begegnung mit Vertretern der EKD im Erfurter Augustinerkloster auf dem Programm. Thönissen zufolge gibt es drei Punkte in denen sich Katholiken und Protestanten einig sind: im Glauben an Jesus Christus, in der Überzeugung, dass dieser Glaube seine Gestalt in der Taufe und in der Eucharistie findet, sowie in der gemeinsamen Verantwortung für die Welt. In diesen Punkten könne man gemeinsame Sache machen. Zugleich müsse man jedoch die Unterschiede in theologischen Fragen und im Verständnis der Kirche deutlich markieren. So gehe die Ablehnung der Frauenordination zurück auf die Ursprünge der katholischen Kirche. Daran könne man nichts ändern, ohne die eigene Substanz aufzugeben. Ein unterschiedliches Verständnis gebe es auch bei der Eucharistie (Abendmahl), zu der Protestanten nicht zugelassen sind. Katholische Christen feierten dabei nicht nur das Teilen des Brotes, sondern glaubten an die Wesensverwandlung der Elemente und die reale Präsenz Christi in Brot und Wein. An den Protestanten schätze er „die tiefe Bibelfrömmigkeit und die Konzentration auf Christus“. Dagegen sei „die unendliche Vielfalt an Meinungen in der evangelischen Kirche“ das größte Ärgernis, so Thönissen.

Protestant: Verketzerungen sind aus der Welt

Laut Fleischmann-Bisten sind sich Katholiken und Protestanten in den letzten 60 Jahren „schon ein gutes Stück näher gekommen“. So sei es ein wesentlicher Fortschritt, dass die Frage, wie der Mensch vor Gott gerecht wird, beide Kirchen nicht mehr trenne. Mit der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ zwischen Lutherischem Weltbund und römisch-katholischer Kirche von 1999 seien die gegenseitigen Verketzerungen aus der Welt. Trotz der Annäherung sei mit der Einheit der Kirche in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Fleischmann-Bisten: „Der Papst wird nicht evangelisch werden, nur weil er das Augustinerkloster in Erfurt besucht.“ So bestehe keine Einigkeit in der Frage der Leitung der Kirche durch den Papst. Für Protestanten sei dies einer der Anlässe für die Trennung gewesen. Überhaupt kein Verständnis habe er dafür, dass die römisch-katholische Kirche immer noch den Ablass praktiziere, so Fleischmann-Bisten. Dass der Papst für sich beanspruche, zeitliche Sündenstrafen zu erlassen, sei für evangelische Christen undenkbar. Für Protestanten irritierend sei auch die katholische Marienfrömmigkeit. Hier bestehe die Gefahr, dass Maria auf einer Stufe mit Christus gehoben werde. Faszinierend an der römisch-katholischen Kirche sei ihre große Vielfalt. Ihr gelinge es viel besser, neue Strömungen einzubinden, etwa die charismatische Bewegung. Evangelischen Kirchen falle es schwerer, die Einheit zu bewahren.