Quelle: idea.de
New York/Jerusalem (idea) – Sollten die Palästinenser einen eigenen Staat bekommen? Und wie stellen sich Christen zu diesem Vorhaben, das Israel strikt ablehnt? Mit Spannung blickt die Welt nach New York, wo die Vereinten Nationen voraussichtlich am 23. September über einen Antrag von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas entscheiden werden.
Vor einer Vollmitgliedschaft wäre eine Zustimmung des UN-Sicherheitsrats erforderlich, dem fünf ständige und zehn nicht-ständige Mitglieder angehören, darunter Deutschland. Die USA haben bereits ihr Veto angekündigt. Bei einem Scheitern bliebe den Palästinensern die Möglichkeit, in der UN-Vollversammlung einen Beobachterstatus als Nicht-Mitgliedsstaat zu beantragen, wie ihn beispielsweise der Vatikan hat. Statt der Anerkennung eines Palästinenserstaats drängt der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) auf weitere Nahost-Friedensverhandlungen mit dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung. Christen sind in dieser Frage ebenso gespalten wie die Politik.
Baptist: Christen sollen Palästinenser unterstützen
Der Dekan der Baptistischen Bibelschule in Bethlehem und Pastor der Baptistengemeinde in Ostjerusalem, Alex Awad, ruft Christen in aller Welt auf, das Vorhaben der Palästinenser zu unterstützen. Die große Mehrheit aller palästinensischen Pastoren trete für die staatliche Unabhängigkeit ein. „Unsere Haltung stützt sich nicht auf anti-israelische oder anti-amerikanische Vorbehalte“, versichert Awad. Vielmehr glaubten die meisten arabischen Christen, dass der Nahostkonflikt ohne die Bildung eines Palästinenserstaats kein Ende nehmen werde, schreibt Awad auf der Internetseite des Israelischen Baptistenbundes. Bei einer Begegnung der Exekutive der Europäischen Baptistischen Föderation mit palästinensischen Kirchenleitern am 19. September in Bethlehem sagte Awad, nach den politischen Umbrüchen im arabischen Raum sei ein dauerhafter Friede mit Palästina für Israel die beste Garantie für Frieden und Sicherheit. An die Christen in aller Welt richtete Awad den Aufruf: „Jene, die für ‚Frieden für Jerusalem’ beten, müssen gleichzeitig die Schaffung eines palästinensischen Staates unterstützen.“ Die Sorge, dass ein extremistisch geprägter Staat entstehe, sei unbegründet.
Zwei christliche Gemeinden ehemaliger Muslime
Laut Awad unterstützen ihn mehr als 99 Prozent der über 50.000 Christen im Westjordanland und dem Gaza-Streifen. Ihr Verhältnis zur muslimischen Bevölkerung sei gut und vertrauensvoll. Allerdings laste auf Muslimen ein immer stärkerer Druck von Extremisten im Ausland. Deshalb müssten Christen dringend auch für ihre muslimischen Nachbarn beten und sie lieben. Dadurch zeigten immer mehr Muslime Interesse am christlichen Glauben. Im Westjordanland gebe es inzwischen zwei christliche Gemeinden, in denen sich ausschließlich ehemalige Muslime träfen. Aus Sorge vor Übergriffen versammelten sie sich im Untergrund. Theologische Einwände, dass Gott Israel das Land zur Verfügung gestellt habe, wies Awad zurück. Seit dem Neuen Testament gehe es um den Bau des Reiches Gottes weltweit, aber nicht mehr um besonderes Land für das jüdische Volk.
EED für Aufnahme Palästinas in die UN
Für den palästinensischen Antrag um Aufnahme in die UN sprechen sich auch der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) und das katholische Hilfswerk Misereor aus. Dies stelle eine Chance für den Nahost-Friedensprozess dar. Man müsse Israelis und Palästinenser bei der Verwirklichung ihres Selbstbestimmungsrechts unterstützen. Dazu sei ein Ende der Siedlungspolitik und der Besetzung durch Israel erforderlich. Die Sicherheit Israels und des palästinensischen Volks müsse unter allen Umständen gewährleistet werden. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte bereits am 14. September die Bischöfe aus Jerusalem in Ramallah empfangen, um ihnen seinen Vorstoß bei der UN zu erläutern. Danach riefen die orthodoxen, katholischen und evangelischen Bischöfe in einer gemeinsamen Erklärung zu Gebet und diplomatischen Anstrengungen auf, wie Radio Vatikan berichtete. Nach Ansicht des katholischen Weihbischofs von Jerusalem, William Shomali, würde eine staatliche Anerkennung für die Palästinenser einen Schritt nach vorn bedeuten, weil es ihnen in den Friedensgesprächen mit Israel einen besseren Status verleihe.
Christliche Initiative: Nein zu Palästinenserstaat
Eine entgegengesetzte Haltung nimmt die Europäische Koalition für Israel (ECI) ein. Die christliche Initiative fordert in einem Offenen Brief an die UN ein klares Nein zu einem einseitig ausgerufenen Palästinenserstaat. Die Völkergemeinschaft solle vielmehr die Prinzipien der Verhandlung anerkennen, um dadurch die Chancen für „eine wirkliche Versöhnung, Gerechtigkeit und anhaltenden Frieden“ zu schaffen. Das Schreiben richtet sich an UN-Generalsekretär Ban Ki Mun und die EU-Mitgliedsstaaten. Es wird unter anderem vom Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, dem Italiener Gabriele Albertini, unterstützt. Unterzeichnet hat den Brief auch der frühere Europaabgeordnete Lothar Klein. Er ist Vorsitzender der Sächsischen Israelfreunde.
„Klare Existenzbedrohung“ Israels
Der ECI zufolge wäre ein Palästinenserstaat in den Grenzen des Waffenstillstands von 1949 eine „klare Existenzbedrohung“ für den Staat Israel. Die ECI macht auch darauf aufmerksam, dass die terroristische Hamas-Bewegung geschworen habe, den jüdischen Staat auszulöschen. Sie sei Teil der palästinensischen Einheitskoalition, die die staatliche Anerkennung fordere. In Deutschland haben laut ECI über 40.000 Bürger einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel unterschrieben, in dem sie versichern, auch in schwieriger Zeit an der Seite Israels zu stehen.