28. Januar 2022

Kirchentag – ein “Biotop für Träumende”

Quelle: idea.de

Margot Käßmann verteidigt „Weltverbesserer und Gutmenschen“. Foto: idea/kairospress

Dresden (idea) – Als ein „Biotop für Träumende“ hat die frühere EKD-Ratsvorsitzende, Margot Käßmann (Berlin), den Deutschen Evangelischen Kirchentag bezeichnet.
 

In einer Bibelarbeit am 2. Juni auf dem Protestantentreffen in Dresden verteidigte sie „Visionäre“ gegen den Vorwurf, sie seien „Weltverbesserer und Gutmenschen“. Menschen, die es wagten, von einer besseren Welt zu träumen und sich dafür einzusetzen, hätten die Menschheit weiter vorangebracht als Realisten, sagte sie in der überfüllten Eisarena vor mehr als 5.000 Zuhörern. Weitere 1.500 verfolgten die Übertragung vor dem Gebäude. Die ehemalige hannoversche Landesbischöfin, die im vorigen Jahr nach einer Trunkenheitsfahrt alle kirchlichen Ämter niedergelegt hatte, wurde mit starkem Beifall begrüßt und mit Ovationen im Stehen verabschiedet. In ihrer Bibelarbeit über die Seligpreisungen aus der Bergpredigt sagte sie, Jesus habe dazu ermutigt, nicht angepasst zu sein und dem Herzen mehr zu folgen als vermeintlichen Unabänderlichkeiten. Die Seligpreisungen ermöglichten einen Ausblick in die künftige Welt Gottes. Das sporne an, diese Welt mit ihren Ungerechtigkeiten zu verändern.

Bomben schaffen keinen Frieden

Käßmann plädierte für den Abbau von Armut, für soziale Gerechtigkeit im Weltmaßstab und konsequente Gewaltlosigkeit. Einen gerechten Krieg könne es nicht geben, nur einen gerechten Frieden. Sie ging unter anderem auf ihr viel kritisiertes Wort aus ihrer Neujahrspredigt 2010 in Dresden ein: „Nichts ist gut in Afghanistan.“ Der damalige Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe, habe ihr geraten, in einem Zelt mit den Taliban bei Kerzenlicht zu beten. Käßmann erwiderte: „Offen gestanden finde ich, das ist eine wesentlich bessere Idee als die Bombardierung von Tanklastwagen in Kundus.“ Sie kritisierte auch den Militäreinsatz der NATO gegen den libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi. Mit Bomben könne man keinen Frieden schaffen.

Christentum gehört zur Türkei

Käßmann forderte auch Gerechtigkeit für alle Verfolgten. Christen seien die am meisten bedrohte Religionsgruppe der Welt. Ihnen gebühre Solidarität und Unterstützung. In Deutschland könnten Angehörige jeglicher Religion ihren Glauben frei praktizieren. Deshalb trete sie dafür ein, „dass Christen in der Türkei das auch können“. Sie unterstrich die Aussage des bei der Bibelarbeit anwesenden Bundespräsidenten Christian Wulff, dass der Islam zu Deutschland gehöre, weil Muslime hier leben. Genauso gehöre aber auch das Christentum zur überwiegend muslimischen Türkei. Der dort geborene Apostel Paulus sei ein „türkischer Zeltmacher“ gewesen.

Protestanten müssen keine Trauerklöße sein

Käßmann nannte die Bibel ein „Glücksbuch“. Auch sei die Welt kein hoffnungsloser Ort – trotz aller Missstände. „Christen müssen keine Trauerklöße sein, selbst Protestanten nicht“, erklärte die Theologin, die am 3. Juni 53 Jahre alt wird.

Weitere Meldungen zum Kirchentag