„Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Manchmal mag das stimmen. Vor allem, wo es um das Breittreten irgendwelcher Gerüchte geht, üble Nachrede, Plauderei auf Kosten anderer… .Da ist es besser, wenn man auch mal die Klappe halten kann. Was aber immer stimmt ist: „Gott loben ist Gold“. Und so strahlt auch diese Erzählung vom Einzug Jesu in Jerusalem in einem wunderbaren Glanz. Nicht „goldig“, aber mitreißend, jubelnd, vorwärtsstrebend, würdevoll, begeisternd, dynamisch.
Das Lob Gottes, das hier erklingt, Lob Gottes generell ist Bekenntnis – Ihn zu loben heißt: ihn bekennen. Das Lob bleibt nicht bei sich. Es verlässt das Schweigen. Es drängt nach außen, zu den Menschen. Es macht sich Bahn. Das Lob Gottes sucht die Öffentlichkeit. Ausgerufen wird das Evangelium. Nichts anderes ist es. Die frohe Botschaft von der heilsamen Nähe Gottes. „Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn!“ Er kommt, er kommt! Der vor Zeiten Angekündigte. Der lang Erwartete. Der heiß Ersehnte.
„Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!“ rufen die Jünger. Ganz ähnlich haben die himmlischen Heerscharen auf dem Feld vor Bethlehem gesungen (Lk 2,14): „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ Diese beiden Geschehen – hier der Einzug in Jerusalem, da die Verkündigung der Geburt Jesu vor den verängstigten Hirten, gehören unmittelbar zusammen. Sie treffen sich in dem Lob Gottes. Eines Gottes, der nicht bei sich bleibt. Eines Gottes der kommt. Der kommt zu seinem Volk. Der kommt in die Dunkelheit, in die Gottverlassenheit. Gott kommt. „Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk“ (Lk 1,68).
Und damit stellt das Lob Gottes die Machtfrage. Das ist keine unschöne, ungewollte Folge des Bekenntnisses. Es ist ihm inhärent. Denn es ist ein König, der hier ausgerufen wird. „Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn!“ Der König – der König aller Könige, der Herr aller Herren (Offb 19,16). In eine politisch heikle Situation hinein ruft und singt eine Schar Begeisterter dieses Bekenntnis.
Wir wissen natürlich und sagen auch ganz richtig: Ein König ganz anderer Art. Ganz anders als die Machthaber dieser Welt. Ganz anders als es ein Menschenherz erdenken würde oder könnte. Aber dennoch und noch viel mehr ein König. Ein König, der durch sein Königsein alles irdisch Mächtige in Frage stellt. Ein König, der sein Reich aufrichtet – wenn auch so viel anders, so viel besser.
Und das ruft die politisch-religiöse Elite auf den Plan. Sie werden es sein, die Jesus ans Kreuz schlagen. Hier vor den Toren Jerusalems sind es ein paar Pharisäer. Sie haben sich unter die Menge gemischt. Sie wollen, dass die Jünger schweigen. Aber das Tabu ist gebrochen. Das Schweigen ist durchbrochen. Das Bekenntnis nimmt seinen Lauf. Das Wort Gottes ist nicht gebunden. „Würden diese schweigen, so würden die Steine schreien.“
Dreihundert Menschen ziehen durch die Straßen einer Kleinstadt. Sie schweigen. Aber schon ihr gemeinsamer Weg durch die Stadt muss Provokation sein. Und ihre Plakate rufen laut: „Abtreibung ist Unrecht!“.
Überwiegend Christen sind es, die sich auf den Weg gemacht haben. Am 23. Mai, in Annaberg-Buchholz, zum „Schweigemarsch für das Leben“. Sie wollen ein Zeichen setzen für das Leben in allen seinen Phasen, auch für das ungeborene. Für das Leben, das von Gott kommt und das man nicht einfach wegwerfen darf. Sie wollen aber auch ein Zeichen setzen gegen den Zeitgeist, gegen die Kultur des Todes in unserem Land.
Gott loben, Christus als den König bekennen, heißt auch den Finger in die Wunden unserer Zeit legen. Tabus durchbrechen. Die Machtfrage stellen. „Wenn diese schweigen würden, wer würde schreien?“ Das Lob Gottes durchbricht das Schweigen. Auch das Schweigen unserer Zeit. Das Schweigen, das Schuld verdecken will. Das Schweigen des Menschen, der sich vor Gott versteckt. Auch unser Schweigen. Auch mein Schweigen.
Das Lob Gottes durchbricht das Schweigen. Weil es Bekenntnis ist. Weil es Macht in sich trägt. Weil es den Kommenden bekennt. Den Kommenden, der bleibend der Kommende ist. Und wir loben und wir bekennen ihn, bis dass er kommt in Herrlichkeit.
Amen.
[Marc Schneider ist Theologiestudent in Leipzig und bereitet sich auf sein Examen vor. Diese Andacht hielt er an der Theologischen Fakultät.]