26. Januar 2022

Soll man „Heilungsgottesdienste“ anbieten?

Quelle: idea.de

Spezielle Heilungsgottesdienste - wie sind diese zu bewerten? Foto: PR

Wetzlar (idea) – Im deutschsprachigen Europa finden immer mehr „Heilungsgottesdienste“ statt. Dabei bitten Menschen in besonderer Weise Gott um sein heilendes Eingreifen. Wie sind solche Gottesdienste zu bewerten?
 

Gegensätzliche Meinungen dazu äußern ein Mediziner und ein Theologe in Beiträgen für die Evangelische Nachrichtenagentur idea. Der Vorsitzende der Organisation „Christen im Gesundheitswesen“, der Facharzt Georg Schiffner (Hamburg), befürwortet entsprechende Angebote. Dabei sei weniger die Namensgebung entscheidend als vielmehr die zielgruppen- und situationsgerechte Verständlichkeit des Anliegens, die Authentizität der Durchführung und eine theologisch, seelsorgerlich und medizinisch stimmige Praxis. Dabei sei es hilfreich, wenn die Gottesdienste von Mitarbeitern aller genannten Bereiche und von Krankheit betroffenen Christen gestaltet werden, die Gottes Eingreifen in ihrem Alltag erfahren haben. Als Beispiel nennt Schiffner ökumenische „Patienten-Gottesdienste“ in Hamburg. Dazu laden mehr als ein Dutzende Ärzte vier Mal im Jahr ihre Patienten und deren Angehörige ein. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit katholischen, landes- und freikirchlichen Gemeinden. Jeweils 150 bis 200 Gottesdienstteilnehmer erlebten Ermutigung durch Erfahrungsberichte, so Schiffner. Diese Form des Heilungsgottesdienstes spreche viele – auch kirchenferne – Mitarbeiter an, „gerade weil Namensgebung und Gestaltung authentisch sind“.

Hille: Die göttliche Heilung ist unverfügbar

Gegen spezielle Heilungsgottesdienste wendet sich der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für evangelikale Theologie, Rolf Hille (Heilbronn). Die einzige Form von Krankenheilung, die das Neue Testament speziell vorsehe und dafür eine Art Verfahren eingerichtet habe, finde sich im Jakobusbrief (Kap. 5, 13-16). Dort werde die Krankensalbung im häuslichen Umfeld durch die Gemeindeleiter geordnet. Dies sei aber kein öffentlich angebotener Heilungsgottesdienst. Hille weist zugleich darauf hin, dass auch in der Öffentlichkeit immer wieder Kranke im Namen Jesu Christi gesund geworden sind. Dabei sei es jedoch wichtig, dass die Unverfügbarkeit des göttlichen Wunders gewahrt bleibe: „Werbewirksame Ankündigungen von Heilungen, die im Rahmen eines Gottesdienstes zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort geschehen werden, sind ein Übergriff der Menschen in die Freiheit Gottes.“ Wer etwa charismatische Gottesdienste in Slumgebieten Afrikas und Lateinamerikas miterlebt habe, wisse um die Verzweiflung vieler Kranker und ihre Sehnsucht nach Heilung; aber er wisse auch um die Grenzen der Heiler. „Nirgendwo sollten deshalb Gottesdienste, die sich auf den Aspekt der Heilung konzentrieren, dazu führen, dass Christen sich aufgrund ihrer Krankheit schuldig fühlen, weil sie nicht genug geglaubt haben“, so Hille. Gott könne und wolle gerade auch Zeiten der Krankheit segnen und so die Macht seiner Gnade sichtbar machen.