22. Januar 2022

Parzany: Tendenzen zur Beliebigkeit

Quelle: idea.de

Ulrich Parzany spricht vor der bayerischen Synode. Foto: idea/Pankau

München (idea) – Wie kann Mission in der Volkskirche praktiziert werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern auf ihrer Tagung vom 3. bis 8. April in München. Vor den 108 Synodalen sprach am 6. April unter anderem der Hauptredner der Evangelisation ProChrist, Pfarrer Ulrich Parzany (Kassel). Er kritisierte zunehmende „Tendenzen zur Beliebigkeit“ in der gottesdienstlichen Verkündigung.
 

Als Beispiele nannte er Themen wie die Jungfrauengeburt, das leere Grab nach der Auferstehung Jesu oder das Verständnis der Bibel als Wort Gottes. Viele Pfarrerinnen und Pfarrer versuchten, die Menschen mit niedrigschwelligen Angeboten für die christliche Botschaft zu gewinnen. Doch verschwiegen sie dafür oft vermeintlich unbequeme biblische Inhalte und versuchten, zu vermeiden, dass sie damit Anstoß erregen. Zwar sei in der Konsumgesellschaft der Kunde König, und das gelte auch für den religiösen Supermarkt. „Aber Gott ist keine Ware“, so Parzany. In Fragen der gottesdienstlichen Liturgie oder des Amtsverständnisses seien Pastoren und Gemeinden hingegen relativ starr. „Umgekehrt sollte es sein: treu im Inhalt und flexibel in den Formen“, betonte Parzany und verwies auf den Apostel Paulus, der sagte: „Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette.“ In Deutschland gebe es unzählige Möglichkeiten, Menschen mit der Botschaft von Jesus Christus zu erreichen – „im Gegensatz zu den bedrückenden Einschränkungen in vielen Ländern der Welt“.

Werkzeugkasten für Evangelisation

Als wichtigstes Instrument der Evangelisation bezeichnete Parzany das persönliche Gespräch. Für Gemeinden gebe es keine vordringlichere Aufgabe, als ihre Mitglieder im Glauben an Christus zu vergewissern und ihnen zu helfen, davon zu reden. Ebenso zentral seien Glaubenskurse, evangelistische Programme oder öffentliche Veranstaltungen in Verbindung mit Musik und Sport. Wie in einem Werkzeugkasten verschiedene Instrumente für unterschiedliche Aufgaben bereit lägen, böten sich die unterschiedlichen Methoden der Evangelisation für verschiedene Menschengruppen an. Beim handwerklichen Arbeiten sei auch niemand so töricht, alle Tätigkeiten mit nur einem Werkzeug auszuführen, erklärte Parzany. Der Medien sollten sich die Kirchen noch stärker bedienen, denn sie seien die „Marktplätze dieser Welt“. Er habe den Eindruck, dass viele Gemeinden meinten, mit der Kindertaufe habe sich Evangelisation erledigt. „Doch das ist weder biblisch noch reformatorisch“, so Parzany. Zur Taufe müsse der Glaube kommen. Evangelisation sei daher unerlässlich.

Wiederentdeckt: Konzept der missionarischen Kirche

Der norwegische Theologe Prof. Kjell Nordstokke (Oslo) sagte, seit den siebziger Jahren sei der Begriff „Mission“ in der westlichen Welt in Misskredit geraten, weil er mit Erfahrungen von Kolonialismus und kirchlicher Arroganz belastet gewesen sei. Jetzt entdeckten viele Kirchen das Konzept einer missionarischen Kirche neu. Allerdings beobachte er nach wie vor eine große Schüchternheit, wenn es darum gehe, vom eigenen Glauben zu erzählen, so Nordstokke, der unter anderem zehn Jahre lang als Missionar in Brasilien tätig war. Für ihn gehöre zur Mission nicht nur das Reden, sondern auch das Tun: „Mission beinhaltet auch das Eintreten für Gerechtigkeit und Menschenrechte.“ Nach Ansicht der Berliner Pfarrerin Anja Siebert gibt es keine Patentrezepte für Gemeindewachstum. Die Dom-Gemeinde in Berlin etwa wachse, „obwohl“ sie den Gottesdienst als klassische lutherische Messe feiere. Andere Gemeinden gewönnen Mitglieder, weil sie moderne Formen ausprobierten. In erster Linie gehe es darum, dass Menschen ihre Gaben in die Gemeinde einbringen könnten.

Künftiger Landesbischof: Was man von Evangelikalen lernen kann

In der Aussprache wurde Parzany gefragt, ob er bei seinen Predigten nicht zu großen Bekehrungsdruck ausübe. Parzany: „Wenn Sie leidenschaftliche Liebe als Bedrängung empfinden, bekenne ich mich dazu.“ Er habe aber noch nie erlebt, dass jemand, der verliebt sei, distanziert und sachlich auftrete. „Ich schäme mich der Liebe Gottes nicht“, erklärte er und bekam dafür Applaus von den Synodalen. Auch der designierte bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (Bamberg) meldete sich zu Wort. Wie er sagte, gehöre Religion in die Öffentlichkeit. Das Evangelium sei eine öffentliche Angelegenheit. Hier könne sich die Volkskirche etwas von den Evangelikalen abschauen: „Von der evangelikalen Gemeinschaft können wir lernen, dass wir uns nicht davor fürchten, von unserem Glauben zu reden.“ Das Schwerpunktthema der Synode lautet „Missionarisch Kirche sein“. Unter anderem werden über 40 missionarische Projekte aus der bayerischen Landeskirche vorgestellt.