Quelle: jungefreiheit.de
Von Dieter SteinPanik regiert in Berlin. Die Hauptstadt gleicht einem Hühnerhaufen, in den der Fuchs gefahren ist. Im Zentrum eine tief verunsicherte Führung, an der Spitze der kopflosen Bundesregierung eine für ihren Pragmatismus und ihre Unaufgeregtheit sonst gerühmte Kanzlerin, die zuletzt nur noch fahrig und nervös reagiert. Wie ein gehetzter Hase schlägt Merkel willkürliche Haken, um Druck auszuweichen.
Im Vorfeld mehrerer Landtagswahlen verhagelten die Naturkatastrophe in Japan und die Eskalation des Libyen-Konfliktes den schwarz-gelben Parteistrategen die Dramaturgie des Wahlkampfes. Merkel, die seit der historischen Niederlage ihrer Partei und dem empfindlichen Machtverlust im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen im Frühjahr 2010 unter wachsendem Erfolgsdruck steht, hatte im Herbst Nervenstärke bewiesen, als sie sich im Falle des heftig umstrittenen Bauprojektes „Stuttgart 21“ nicht von Medien und Demonstrationen beeindrucken ließ, sogar die Landtagswahl zur Volksabstimmung über dieses Vorhaben erklärte. Die Umfragen sahen daraufhin die im Südwesten gebeutelte Union wieder im Aufwind.
Die Kanzlerin hofft nun offensichtlich, mit ihrem juristisch fragwürdigen, hektischen Sofortstopp der Laufzeitverlängerung für ältere Kernkraftwerke bei verunsicherten Wählern zu punkten und einer drohenden Anti-Atomkraft-Kampagne der Opposition die Spitze zu nehmen. Wird diese taktische Anpassung aber auch vom Wähler belohnt?
Dem hysterischen Medien-Tsunami widerstehen
Auf einer Fachtagung zum Thema Medien und Politik erläuterte am vergangenen Wochenende ein bekannter Kommunikationswissenschaftler den Verlauf von politischen Kampagnen. Häufig reagierten Akteure unter massivem Druck einer Gegenkampagne irrational und hofften, durch kurzsichtige „Befreiungsschläge“ wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Die Handlung der Bundesregierung mit dem übereilten Ausstieg sei eine solche Kurzschlußreaktion.
Was wäre richtig? Der Wissenschaftler stellte fest, das Entscheidende für das politische Überleben sei, daß man seine Glaubwürdigkeit bewahre. Wenn jemand unglaubwürdig werde, verziehen ihm dies die Wähler nicht. Merkel hätte so nur eine Chance gehabt: Führung zeigen, indem sie dem hysterischen Medien-Tsunami nach Fukushima widersteht und die Energiepolitik und Reaktorsicherheit offensiv verteidigt.
Merkel, Mappus & Co. stehen jetzt aber als windelweiche Opportunisten da, die bereit sind, um den Preis des Machterhalts Grundsätze jederzeit über Bord zu werfen. Große Teile der Anhängerschaft halten den Zickzackkurs für nicht glaubwürdig und wenden sich ab. Belohnt für den Notstopp in Sachen Kernenergie werden hingegen Parteien, die schon zuvor für einen schnellen Ausstieg eingetreten sind und deren Glaubwürdigkeit jetzt gestärkt ist.
JF 13/11