28. Januar 2022

Auslieferungsstopp für evangelikales Buch „Der Neonazi“

Quelle: idea.de

Kritiker hält geschilderte Verbrechen für frei erfunden.

Holzgerlingen (idea) – Nach wochenlangen Kontroversen über den Wahrheitsgehalt der Biographie „Der Neonazi – Die wahre Geschichte des Nico M.“ hat der evangelikale Verlag SCM Hänssler (Holzgerlingen bei Stuttgart) die Auslieferung gestoppt.
 

In dem Buch erzählt die Schweizer Autorin Damaris Kofmehl die Geschichte eines Aussteigers aus der österreichischen Neonazi-Szene. Beschrieben werden unter anderem zahlreiche Verbrechen bis hin zum Mord, die Nico M. – dessen wahre Identität unbekannt bleibt – begangen haben soll. Das Buch endet mit der dramatischen Lebenswende des Mannes: Er wird 2007 Christ, steigt aus der Neonazi-Szene aus und wird dafür von seinem Großvater enterbt. Kritiker bezweifelten, dass sich alle Vorgänge so abgespielt haben. So stellte der Musiker Leander Müller (Klagenfurt), der die echte Identität von Nico M. kennt, verwundert fest, dass die beschriebenen Verbrechen anscheinend ohne rechtliche Konsequenzen blieben. Er hält viele Begebenheiten für frei erfunden. Doch der Verlag wies die Anschuldigungen zunächst zurück. Im Januar teilte der Geschäftsführer der Stiftung Christliche Medien, Frieder Trommer (Holzgerlingen), in einer Presseerklärung mit, dass „alle … recherchierten Namen, Daten, Fakten und die persönlichen Bestätigungen langjähriger Begleiter sowie die Bereitschaft mehrerer Betroffener und im Buch benannter Personen, als Zeugen uns gegenüber auszusagen, für uns derzeitig den Wahrheitsgehalt des Buches bestätigt“ hätten. Die Autorin Kofmehl kündigte an, weiter mit Nico M. auf Tournee zu gehen.

Komplette Aufklärung nicht zu erwarten

Doch im März erfolgte die Wende. „Auch wenn die Lebensgeschichte von Nico M. grundsätzlich nicht infrage steht, konnten bis heute einige der kritisch angemerkten Punkte nicht endgültig geklärt werden. Da in nächster Zeit auch nicht mit einer kompletten Aufklärung gerechnet werden kann, hat sich der Verlag dazu entschlossen, das Buch nicht mehr auszuliefern“, heißt es in einer am 14. März veröffentlichten Mitteilung. Die Auslieferung wurde bereits am 25. Februar gestoppt. Auf seiner Internetseite bekräftigt der Verlag, dass er sich in den vergangenen Wochen sehr um Aufklärung bemüht, Gespräche mit Kritikern und beteiligten Personen geführt, Einsicht in Unterlagen genommen und Nachforschungen angestellt habe. Prüfung und Klärung könnten jedoch längere Zeit in Anspruch nehmen, „so dass wir uns dabei nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, nur aus wirtschaftlichen Gründen das Buch weiterhin lieferbar zu halten. Bis Ende vergangenen Jahres lagen uns nach persönlichen Gesprächen und Begegnungen mit den betroffenen Personen schriftliche Unterlagen und Gesprächsangebote von im Buch erscheinenden Personen vor, so dass wir damals keine Veranlassung hatten das Buch nicht auszuliefern.“ Zugleich betonte der Verlag, dass „die Lebensgeschichte des Nico M. als aktiver Neonazi, eine Vielzahl an einschlägigen Straftaten, sowie seine Veränderung seit 2006 und sein Vertrauen zu Jesus Christus für uns nicht in Frage stehen“.