30. Juli 2021

Dürfen Juden und Muslime das Vaterunser beten?

Quelle: idea.de

Volker Jung: Vaterunser ist christliches Urgebet.

Darmstadt (idea) – Dürfen Christen, Juden und Muslime gemeinsam das Vaterunser beten?
 

Darüber ist in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau eine Kontroverse entbrannt. Wie erst jetzt durch den Interkulturellen Rat in Darmstadt bekannt wurde, hatten in der evangelischen Kirchengemeinde Seeheim an der Bergstraße am Erntedankfest Christen, Juden und Muslime einen Gottesdienst gefeiert und dabei auch das Vaterunser gemeinsam gebetet. „Es ist ein jüdisches Gebet, das von Jesus gesprochen wurde und das auch Muslime beten können, wenn mit dem ‚Vater unser’ Gott gemeint ist“, hieß es zur Begründung. Kirchenpräsident Volker Jung (Darmstadt) ist anderer Auffassung. Er würde kein Vaterunser mit Muslimen beten, teilte er jetzt mit. „Das Vaterunser ist das Urgebet der Christenheit. Die Bibel nennt Jesus Christus als seinen Urheber“, heißt es in einer von der EKHN-Pressestelle verbreiteten Erklärung. Wenn Muslime den Wortlaut mitsprächen, so verbänden sie damit andere Vorstellungen: „Das ist nicht schlimm. Aber dieses besondere Gebet gemeinsam zu beten, verschleiert die Unterschiede, die es eben auch gibt.“ Juden, Muslime und Christen sprächen unterschiedlich von und mit Gott, so Jung. Alle drei Religionen verträten drei Wahrheitsansprüche nebeneinander. „Das ist von allen anzuerkennen, und das verlangt Respekt voreinander.“ Ob es eine eindeutige Wahrheit gebe und eine der drei Religionen sie vertrete, könne – von außen betrachtet – niemand sagen.

Kirchenpräsident ist ein überzeugter christlich Glaubender

Wie Pressesprecher Stephan Krebs gegenüber idea dazu anmerkte, hege der Kirchenpräsident keine Zweifel am Wahrheitsgehalt des christlichen Glaubens. Doch auch die christliche Wahrheit sei „nicht für alle empirisch zweifelsfrei belegbar, sondern nur persönlich innerhalb des eigenen Horizontes“. „Und da ist unser Kirchenpräsident schon ein überzeugter christlicher Glaubender“, so Krebs. Jung führt weiter aus, dass Christen, Juden und Muslime in den jeweiligen Gottesdiensten als Gäste willkommen sind. Auch er selbst habe bereits Freitagsgebete der Muslime miterlebt, „aber nicht mitgefeiert“. Lob zollte Jung dem Konzept der „Abrahamitischen Feier“ in der Kapelle des Frankfurter Flughafens, die von allen Religionsgemeinschaften genutzt wird: „Man besucht einander, verfolgt das Gebet der anderen, spürt die Gemeinsamkeiten und man respektiert die Unterschiede.“