Quelle: idea.de
Stuttgart/Kassel (idea) – Für eine lebhafte Debatte in der evangelischen Kirche sorgt derzeit die Frage, ob ein Zusammenleben von Homosexuellen im Pfarrhaus möglich sein soll.
Anlass sind jüngste Entscheidungen in der EKD und auf landeskirchlicher Ebene. Die EKD-Synode beschloss auf ihrer Tagung Anfang November ein einheitliches Dienstrecht, das es den 22 Landeskirchen überlässt, ob homosexuelle Pfarrer mit ihrem Partner in kirchlichen Dienstwohnungen zusammenleben dürfen. Etliche Landeskirchen gestatten schwulen und lesbischen Paaren bereits das Zusammenleben im Pfarrhaus, wenn die Gemeindeleitung und andere kirchenleitende Gremien zustimmen. Gegen eine solche Erlaubnis wendet sich die evangelikale Bewegung. Die Evangelische Nachrichtenagentur idea führte eine Umfrage bei deren Spitzenrepräsentanten durch. Nach Ansicht des Generalsekretärs der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb (Stuttgart), können kirchliche Verantwortungsträger nicht in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zusammenleben „und darum auch nicht im Pfarrhaus“. Dies sei nicht mit den biblischen Vorstellungen und der notwendigen Vorbildfunktion vereinbar, „die man auch von kirchlichen Amtsträgern erwarten kann und muss“. Er sehe die Ehe als eine „alternativlose Schöpfungsordnung Gottes an, in der Mann und Frau in einer lebenslänglichen Liebes- und Treuegemeinschaft miteinander verbunden sind“, so Steeb. Wer das nicht leben könne oder wolle, habe die Möglichkeit, seinen Weg alleine zu gehen.
Pietisten-Präses warnt vor Spaltung
Ähnlich argumentiert der Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbands (Vereinigung Landeskirchlicher Gemeinschaften), Pfarrer Michael Diener (Kassel): „Praktizierte Sexualität gehört nach unserem Verständnis des biblischen Menschenbilds in den geschützten Raum der Ehe von Mann und Frau.“ An dieser Position halte man mit der überwiegenden Mehrheit der weltweiten Christenheit auch unter veränderten Zeit- und Gesellschaftsbedingungen fest: „Daher lehnen wir Segnungen gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften ebenso ab wie die Öffnung der Pfarrhäuser für homosexuelle Paare.“ Den Verantwortlichen der EKD und der Landeskirchen sei diese Einstellung aus vielen Gesprächen bekannt. Diener: „Wir warnen vor einer weiteren Spaltung der evangelischen Christenheit wie auch der Ökumene und werden in den Gesprächen mit den einzelnen Landeskirchen dafür werben und darum ringen, dass unsere Bedenken in der landeskirchlichen Umsetzung des EKD-Dienstrechts Berücksichtigung finden.“ Zugleich bleibe es dabei: „Wir treten als evangelisch-pietistische Christinnen und Christen mit unserer biblisch-christlichen Überzeugung in dieser grundlegenden hermeneutischen und ethischen Frage innerhalb unserer evangelischen Kirche auf und nicht aus.“ Diener teilt „nicht die Hysterie, mit der nun teilweise im evangelikalen Lager der ‚Status Confessionis’ ausgerufen wird und die Einseitigkeit, mit der man den Balken im Auge der anderen sieht, aber den eigenen Splitter nicht wahrnimmt.“
Bekennende Gemeinschaften: Mutig widersprechen
Der Vorsitzende der Konferenz Bekennender Gemeinschaften in den evangelischen Kirchen Deutschlands, Pastor Ulrich Rüß (Hamburg), ruft Christen zum „mutigen Widerspruch“ auf. Das Pfarrhaus habe einst für eine gewisse christlich-ethische Vorbildfunktion in Ehe und Familie mit starker kultureller Prägekraft gestanden: „Damit ist es endgültig vorbei.“ Wenn Synoden unter Auflagen eines Konsenses mit Kirchenvorstand, Dekan und Bischof das Pfarrhaus für homosexuelle Paare öffneten, entschieden sie „im Dissens zu Gottes Wort, zum Bekenntnis, zur Jahrtausende alten christlich-ethischen Tradition in allen Kirchen und zur Ökumene“. Kirche gebe sich auf, wenn sie sich ethisch leiten lasse vom gegenwärtigen Hauptstrom, von der Konsequenz der Gender-Ideologie, dem von christlicher Ethik losgelösten Toleranzdiktat und der sogenannten öffentlichen Meinung. Rüß: „Die Kirche mit Zukunft sieht sich als Kontrastgesellschaft im Widerspruch zur gott-losen Ethik der vielen.“ Das Leitbild von Ehe und Familie sei in der Kirche nachhaltig beschädigt.
PGB: Nicht dem Zeitgeist anpassen
Der Vorsitzende des Pfarrerinnen- und Pfarrer-Gebetsbunds (PGB), Werner Kenkel (Halver/Westfalen), bedauert es in seiner Stellungnahme „sehr, dass sich die evangelische Kirche wieder einmal dem Zeitgeist allzu sehr anpasst“. Von der Bibel her könne er die zunehmende Tendenz, homosexuelle Partnerschaften in Pfarrhäusern zu erlauben, nur ablehnen. Nach biblischem Menschenbild erfülle sich Gottes Wille eindeutig im verbindlichen Zusammenleben von Mann und Frau in der Ehe: „Wie ein Pfarrer/eine Pfarrerin nach außen das Leitbild Ehe vertreten soll, wenn er/sie mit Erlaubnis seiner/ihrer Kirche etwas anderes praktiziert, ist mir schleierhaft.“
Freikirchen: Noch keine Meinungsbildung
Die Präsidentin der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), die evangelisch-methodistische Bischöfin Rosemarie Wenner (Frankfurt am Main), wollte nicht Stellung nehmen. Sie begründete dies gegenüber idea damit, dass in der VEF „keinerlei Meinungsbildung“ zu diesem Thema stattgefunden habe. Sie könne deshalb nicht für die Mitgliedskirchen sprechen, so Wenner.