30. Juni 2022

Türkische Christen: Freispruch und Verurteilung

Quelle: idea.de

v.l.: Turan Topal and Hakan Tastan. Foto: Compass Direct News

Silivri/Ankara (idea) – Zwiespältige Urteile haben zwei Christen in der Türkei erhalten: Einerseits wurden sie vom Vorwurf der Beleidigung des Türkentums und des Islam freigesprochen andererseits aber wegen unerlaubten Sammelns von Bürgerinformationen verurteilt.
 

Turan Topal (50) und Hakan Tastan (41) waren 2006 festgenommen worden. Sie wurden beschuldigt, ihren Glauben verbreitet und damit das Türkentum, das Militär und den Islam beleidigt zu haben. Nach dem vierjährigen Rechtsstreit sprach ein Gericht in Silivri bei Istanbul die Christen am 14. Oktober mangels Beweises von dieser Anklage frei. Richter Hayrettin Sevim verurteilte sie jedoch wegen des unerlaubten Sammelns von Bürgerinformationen zu sieben Monaten Haft. Gegen eine Kaution von jeweils 4.500 türkische Lira (2.282 Euro) könnten die Christen auf freien Fuß kommen. Sie wollen das Urteil anfechten.

„Stolz, Türken zu sein“

Nach Angaben des Informationsdienstes Compass Direct waren Topal und Tastan Mitarbeiter des früheren Bibelforschungszentrums; es wurde nach der staatlichen Anerkennung in „Vereinigung zur Propagierung von Bibelwissen“ umbenannt. Topal und Tastan waren Kontaktinformationen nachgegangen, mit der Nutzer auf der Internetseite der Organisation Interesse am Christentum bekundet hatten. Die Urteile lösten bei den Betroffenen zwiespältige Reaktionen aus. Sie seien froh über den Freispruch, sagte Tastan gegenüber Compass Direct, denn sie seien „stolz, Türken zu sein“. Das andere Urteil empfänden sie als ungerecht.

Bundespräsident: Volle Religionsfreiheit für Christen

Christen in der Türkei genießen keine volle Religionsfreiheit. Bundespräsident Christian Wulff rief am 19. Oktober vor der türkischen Nationalversammlung in Ankara dazu auf, der christlichen Minderheit Religionsfreihit zu gewähren. Das Christentum habe in der Türkei eine lange Tradition und gehöre zweifelsfrei zu dem Land. Wulff variierte damit seine Aussage in seiner Rede zum 20. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober in Bremen, wonach der Islam neben Christentum und Judentum zweifelsfrei zu Deutschland gehöre. Wulff wies in Ankara darauf hin, dass Muslime in Deutschland ihren Glauben in würdigem Rahmen praktizieren könnten. Christen in islamisch geprägten Ländern müssten ebenfalls das Recht haben, ihren Glauben öffentlich zu leben, ihren theologischen Nachwuchs auszubilden und Kirchen zu bauen, so das deutsche Staatsoberhaupt. Über 95 Prozent der 72 Millionen Einwohner der Türkei sind Muslime. Von den rund 120.000 Christen gehören etwa 4.000 zu evangelikalen Gemeinden.