25. Januar 2022

Junge Evangelikale sollten „bissiger“ werden

Qulle: idea.de

Burghard Affeld (auf dem Bild mit seiner Frau Christ) ist seit dem 1. Oktober von seinem Pastorendienst an der evangelisch-lutherischen Paulusgemeinde in Osnabrück entpflichtet. Foto: PR

Osnabrück (idea) – Mehr kirchenpolitischen „Biss“ wünscht sich der Osnabrücker Pastor Burghard Affeld von jungen Evangelikalen. Vielen fehle der Sinn für die Notwendigkeit kirchenpolitischen Handelns, sagte er in einem Interview mit der Evangelischen Nachrichtenagentur idea.
 

Kirchenpolitik sei Fürsorge und Seelsorge in Strukturen für die Gemeinde. Das sei oft schwerer als die Durchführung einer Evangelisation. Affeld: „Wir brauchen einen Kampfgeist, der den Andersdenkenden achtet, ihn liebt, einen Kampfgeist mit Charme und mit Humor, konsequent, gelassen und souverän. Wir brauchen Christen, die fromm, fröhlich, frei und fest zu Christus und an der Seite der Menschen stehen.“ Auf die Frage, warum wenige Evangelikale in kirchenleitenden Ämtern seien, sagte Affeld, diese erschienen wohl aufgrund ihres klaren Profils nicht so geeignet „wie die stromlinienförmigen Liberalen, die aber nicht so tolerant sind, wie sie vorgeben“. Andererseits hätten manche Evangelikale aber auch zu früh aufgegeben.

Warum die Bekenntnisbewegung an Wirkung verlor

Der 65-jährige Affeld, der seit dem 1. Oktober von seinem Pastorendienst an der evangelisch-lutherischen Paulusgemeinde in Osnabrück entpflichtet ist, gehört zu den vielseitigsten evangelikalen Theologen Deutschlands. In seinem 33-jährigen Dienst als Pfarrer engagierte er sich unter anderem als Evangelist, Notfallseelsorger und Bordpfarrer auf Kreuzfahrtschiffen. Ferner war er führendes Mitglied der Bekenntnisbewegung „Kein anderes Evangelium“. Affeld äußerte sich auch zu deren abnehmendem Einfluss. Anfangs habe diese theologisch konservative Bewegung drei Aufgaben im Blick gehabt: „Wecken, damit Menschen zum Glauben finden. Weiden, damit Menschen im Glauben bleiben. Wachen, damit Menschen ihren Glauben bewähren in Kirche und Gesellschaft.“ Diese Aspekte seien aber nicht zusammengehalten worden. Affeld: „Nachdem die Front gegen liberale Theologie nicht mehr so klar war, bekämpfte man sich untereinander. Folge war die innere Zerstrittenheit der geistlich Verantwortlichen und die Kampfverdrossenheit der folgenden Generation und die Glaubensmüdigkeit in den Gemeinden, was am schlimmsten ist.“ Die verschiedenen theologischen Erklärungen hätten aber bis heute ihre Aktualität nicht verloren. Er empfehle, sie zu lesen.

Kirche wird mehr verwaltet als gelebt

Die Volkskirche biete große Vorteile, habe aber auch gravierende Mängel. Ihre Möglichkeiten, den Glauben in die Gesellschaft hineinzubringen, seien immer noch unschlagbar. Sie sei auch noch gefragt, wenn man genau hinsehe und hinhöre, was die Menschen bewege. Affeld: „Wir müssen mit dem Evangelium ran an die Menschen.“ Erstaunlich sei für ihn, „dass immer noch so viele Bürger Kirchensteuern zahlen, obwohl sie die Dienste der Kirche kaum in Anspruch nehmen.“ Sie hätten ein Recht darauf, „dass wir ihnen den Weg des Glaubens auf unterschiedliche Weise zeigen“. Der größte Mangel der Kirche sei „die fehlende geistliche Ausrichtung und ein viel zu geringes missionarisches Engagement“. Die Kirche werde „mehr verwaltet als gelebt“. Das Jammern über schwindende Finanzen und Mitgliederzahlen findet Affeld im Weltvergleich unberechtigt: Der Pastor: „Wäre das geistliche Leben lebendiger, hätten die Kirchen auch mehr Menschen und mehr Geld.“