20. Oktober 2021

Keine Beratungsscheine für Abtreibung mehr ausstellen

Quelle: idea.de

Der Ethik-Professor Rainer Mayer: Evangelische Kirche soll staatliches Beratungssystem verlassen. Foto: Privat

Stuttgart (idea) – Für einen Ausstieg der evangelischen Kirche aus der Schwangerenkonfliktberatung nach staatlichen Vorgaben plädiert der Ethik-Professor Rainer Mayer (Stuttgart).
 

Dass staatlich anerkannte Beratungsstellen eine Bescheinigung ausstellen müssen, die Voraussetzung für eine straffreie Abtreibung ist, sei weder mit dem christlichen Glauben noch mit dem Grundgesetz vereinbar, sagte er bei einem Studientag der württembergischen Pfarrer-Arbeitsgemeinschaft „Confessio“ in Stuttgart. Kirchliche Stellen, die in das staatliche Pflichtberatungssystem eingebunden seien, beteiligten sich „an der Korrumpierung des Rechtssystems zum Schaden der gesamten Gesellschaft“. Mayer: „Mit der Ausgabe des Scheins wird faktisch die Tötung des ungeborenen Lebens freigegeben.“ Der Theologe forderte die evangelische Kirche auf, nach anderen Wegen zu suchen, um Frauen in schwieriger Situation soziale und materielle Hilfen anzubieten. Die katholische Kirche in Deutschland war im Januar 2001 aus dem Beratungssystem ausgestiegen, nachdem Papst Johannes Paul II. (1920-2005) 1999 die Anweisung dazu gegeben hatte. Der Vorsitzende des Pforzheimer Vereins „Hilfe zum Leben“, Reinhard Klein, berichtete auf dem Studientag, dass die vom Verein getragene Beratungsstelle „Ausweg“ großen Zulauf von Frauen mit Schwangerschaftskonflikten habe, obwohl bekannt sei, dass sie keine Beratungsscheine ausstelle.

„Lizenz zum Töten“ oder „kleineres Übel“?

In der Arbeitsgemeinschaft „Confessio“, die rund 100 Mitglieder hat, ist die Haltung zu den Konflikt-Beratungsstellen uneinheitlich. Bei der Mitgliederversammlung im Frühjahr plädierte die Mehrheit für eine Neuorientierung der kirchlichen Hilfe für Schwangere, wie sie auch der „Gemeindehilfsbund“ (Walsrode) in einer Unterschriftenaktion fordert. Das Ausstellen von Beratungsscheinen sei „ein wesentlicher Beitrag zu einem gezielten Tötungsakt an einem unschuldigen, wehrlosen Menschen“, hieß es. Das Papier selbst wurde als „Lizenz zum Töten“ bezeichnet. Einige Theologen betrachteten hingegen den Verbleib der evangelischen Kirche im staatlichen Beratungssystem als „das kleinere Übel“, weil dadurch Kontakte zu Ratsuchenden hergestellt werden könnten.