Quelle: idea.de
Karlsruhe (idea) – Das Bundesverfassungsgericht hat Abtreibungsgegnern das Demonstrieren vor Arztpraxen erlaubt. Mediziner müssten auch hinnehmen, dass sie auf Flugblättern namentlich genannt und ihre Patientinnen auf eine mögliche Abtreibungsabsicht angesprochen werden.Das geht aus einem am 29. Juni in Karlsruhe veröffentlichten Urteil des höchsten deutschen Gerichts hervor. Es hob Entscheidungen bayerischer Gerichte gegen den badischen Lebensschützer Klaus Günter Annen (Weinheim bei Heidelberg) auf. Er hatte vor einer Arztpraxis mit Flugblättern und Plakaten über die dort vorgenommenen Abtreibungen informiert. Dabei wies er auf frühere Urteile des Bundesverfassungsgerichts hin. Danach führe der Arzt „rechtswidrige Abtreibungen durch, die aber der deutsche Gesetzgeber erlaubt und nicht unter Strafe stellt“. Der betroffene Arzt betrachtete diese Aussage als Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte und erreichte beim Münchner Landgericht, dass Annen niemanden im Umkreis von einem Kilometer um die Praxis ansprechen und wörtlich oder sinngemäß auf dortige Vorgänge hinweisen dürfe. Das Oberlandesgericht bestätigte diese Auffassung.
Diskussion über Abtreibung im öffentlichen Interesse
Das Bundesverfassungsgericht sieht das anders. Diskussionen über Schwangerschaftsabbrüche seien im öffentlichen Interesse. Die Schwelle zur Verletzung von Persönlichkeitsrechten werde erst dann überschritten, wenn der befürchtete Schaden für gewichtiger eingestuft werde als das Interesse an der Verbreitung der Wahrheit. Dies sei nicht der Fall, da der Arzt selbst in seiner Internet-Darstellung erwähne, dass er auch Abtreibungen vornehme. Dass der Lebensschützer diese Tätigkeit für moralisch verwerflich halte, gehöre zu seinem Recht auf Meinungsfreiheit. Allerdings dürfe er niemandem seine Meinung aufdrängen. Jetzt muss das Landgericht die Vorgänge vor der Praxis erneut prüfen. Der 59-jährige Annen protestiert seit 1996 vor Abtreibungskliniken. Dies hat ihm nach eigenen Angaben rund 50 Unterlassungsklagen eingebracht. Aufgrund der Prozesskosten habe er inzwischen mehr als 100.000 Euro Schulden.