18. Mai 2022

Israelkonferenz: Kritik an den „Losungen“

Quelle: idea.de

Einige Verse sollen aus dem Zusammenhang gerissen sein.

Bad Liebenzell (idea) – Im bekanntesten christlichen Andachtsbuch, den Losungen, werden immer wieder alttestamentliche Verse aus ihrem Zusammenhang gerissen oder verkürzt wiedergegeben.
 

Diesen Vorwurf erhebt der „Arbeitskreis Israel“ des pietistischen Liebenzeller Gemeinschaftsverbandes. Nach Ansicht des Vorsitzenden, Prediger Karl-Heinz Geppert (Weinheim bei Heidelberg), verschweigt der Herausgeber der Losungen, die Herrnhuter Brüdergemeine, gelegentlich, dass das jüdische Volk der ursprüngliche Empfänger von Gottes Zusagen war. Es werde der Eindruck vermittelt, dass die Leser der Losungen, also Christen, die alleinigen Adressaten seien. Mehrere Proteste von christlichen Israelfreunden seien wirkungslos geblieben, teilte Geppert vor rund 350 Besuchern der Süddeutschen Israelkonferenz am 20. März in Bad Liebenzell (Schwarzwald) mit. Als Beispiel für Weglassungen nannte er den Zuspruch des Propheten Jesaja „Und nun spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ (Jesaja 43,1). Dass in den Losungen die Anrede an Jakob und Israel weggelassen werde, sei eine „Urkundenfälschung“. Ähnlich werde mit dem Spruch zum 1. Adventssonntag umgegangen: „Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer“ (Sacharja 9,9). In den Losungen fehle der Hinweis auf die jüdische Hauptstadt und damit auf das Volk Israel, mit dem Gott einen ewigen Bund geschlossen habe. Die Losungen gehen auf den pietistischen Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700-1760) zurück, der 1731 begann, für die Mitglieder seiner Herrnhuter Brüdergemeine für jeden Tag einen alttestamentlichen Bibelvers als Merksatz auszulosen.

Umfragen: 37 Prozent der Deutschen antijüdisch eingestellt

Schuldekan i.R. Albrecht Lohrbächer (Weinheim) mahnte zur Wachsamkeit gegenüber zunehmendem Antijudaismus und Antisemitismus in Deutschland. Laut Umfragen seien 37 Prozent der Deutschen antijüdisch eingestellt. So gebrauchten Schüler „Du Jude“ als Schimpfwort. Bei Demonstrationen gegen israelische Militäraktionen Anfang letzten Jahres im Gaza-Streifen sei „Tod den Juden“ gerufen worden. Jüdische Sportler müssten sich rassistische und antisemitische Pöbeleien gefallen lassen. Im Durchschnitt werde täglich ein jüdischer Friedhof mit Hakenkreuzschmierereien, judenfeindlichen Parolen und Verwüstungen geschändet. Solche Aktionen würden von Vereinen, Behörden und Medien häufig verharmlost, kritisierte Lohrbächer in einem Seminar. Als Gründe nannte er einen latenten Hass auf das Judentum, der auch nach 1945 nicht aufgearbeitet worden sei. Nach 1989 hätten die Deutschen ein neues Selbstbewusstsein entwickelt, das sich auch auf das Verhältnis zum Judentum und zu Israel ausgewirkt habe. Das schlechte Gewissen im Blick auf deutsche Verbrechen an den Juden werde durch Verweise auf Israels Politik gegenüber den Palästinensern relativiert. Auch die Kirchen hätten ihre antijüdische Tradition noch nicht überwunden, wonach Juden als Mörder des Gottessohnes an ihrem Leiden angeblich selbst schuld seien. Hinzu komme ein wachsender Judenhass bei Muslimen. Mehrere islamisch geprägte Fernsehsender verbreiteten in Deutschland antisemitische Unterhaltungsprogramme.