30. Juni 2022

Steuersünder-Daten kaufen? Ethiker sind geteilter Meinung

Quelle: idea.de

Evangelikaler: Kein „Deal mit Dieben“ – Katholischer Moraltheologe für den Kauf

Gießen/Paderborn (idea) – Ist es ethisch vertretbar, dass die Bundesregierung illegal beschaffte Schweizer Bankdaten über deutsche Steuerhinterzieher erwirbt? Darüber gehen die Meinungen unter christlichen Ethik-Experten auseinander.
 

Ein Informant hatte den deutschen Behörden laut Medienberichten eine CD mit Daten von bis zu 1.500 Anlegern mit Schweizer Konten angeboten und dafür 2,5 Millionen Euro verlangt. Nach Schätzungen könnten die Finanzbehörden weit mehr als 100 Millionen Euro von den Steuersündern eintreiben. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich für den Kauf der CD aus. Jeder vernünftige Mensch wisse, dass Steuerhinterziehung geahndet werden müsse.

Holthaus warnt vor Nützlichkeitsethik

Gegen einen „Deal mit Dieben“ wendet sich der Ethik-Dozent an der Freien Theologischen Hochschule Gießen und Leiter des Instituts für Ethik und Werte, Stephan Holthaus. Der Staat dürfe sich nicht zum Hehler machen, schreibt der Theologe in einer Stellungnahme. „Wer Diebesgut aufkauft, spielt das Spiel des Verbrechers.“ Dadurch würden Nachahmungstäter geradezu eingeladen. Der Staat habe jedoch eine Vorbildfunktion und dürfe den Bürgern nicht den Eindruck vermitteln, dass sich Diebstahl lohne. Holthaus warnt vor einer Nützlichkeitsethik: „So schön es ist, wenn durch das Handeln der Bundesregierung der arg gebeutelte Staatssäckel beglückt wird und Steuerhinterzieher vor Gericht kommen: Der Zweck heiligt nicht die Mittel.“ Nach Ansicht des Ethikers gibt es Alternativen zu einem Kauf der gestohlenen Bankdaten: „Weitere Verhandlungen mit der Schweiz über die Bekämpfung von Steuerflüchtlingen wären jetzt nötig, um auf legalen Wegen zum Ziel zu kommen.“ Auch die Gründe für Steuerflucht müssten ernsthafter diskutiert werden: „Warum ist die Zahl der Steuersünder in Deutschland höher als in anderen Ländern?“

Schallenberg: In diesem Fall heiligt der Zweck die Mittel

Im Gegensatz zu Holthaus befürwortet der katholische Moraltheologe Prof. Peter Schallenberg (Paderborn) den Erwerb der illegal beschafften Bankdaten. Dies sei eine „außergewöhnliche Maßnahme zur Herstellung von Steuergerechtigkeit“, sagte er der Zeitung „Die Tagespost“ (Würzburg). Aus seiner Sicht ist in diesem Fall das Interesse des Staates und seiner Bürger, Steuerhinterziehung um des Gemeinwohls willen zu verfolgen, höher einzuschätzen als das Eigentumsrecht und das Bankgeheimnis. Der deutsche Staat dürfe diese nach Schweizer Recht geschützte Hehlerware in Anspruch nehmen. Schallenberg: „Hehlerware und Steuerhinterziehung liegen auf einer Ebene, und der Staat darf das eine instrumentalisieren, um das andere zu eliminieren.“ In diesem Fall könne man sogar sagen, „dass der Zweck die Mittel heiligt“.