30. Juni 2022

Käßmann tritt von kirchlichen Ämtern zurück

Quelle: idea.de

Die EKD-Ratsvorsitzende und Landesbischöfin Margot Käßmann: Trunkenheitsfahrt beschädigt Autorität. Screenshot: Tagesschau.de

Hannover (idea) – Margot Käßmann ist von ihren Ämtern als EKD-Ratsvorsitzende und hannoversche Landesbischöfin zurückgetreten. Nach ihrer Trunkenheitsfahrt vom 20. Februar seien das Amt und ihre Autorität als Landesbischöfin und EKD-Ratsvorsitzende beschädigt, sagte die 51-jährige Theologin am 24. Februar im EKD-Kirchenamt in Hannover.
 

Käßmann: „Die Freiheit, ethische und politische Herausforderungen zu benennen und zu beurteilen, hätte ich in Zukunft nicht mehr so, wie ich sie hatte.“ Die harsche Kritik etwa an dem Zitat aus ihrer Neujahrspredigt „Nichts ist gut in Afghanistan“ sei nur durchzuhalten, „wenn persönliche Überzeugungskraft uneingeschränkt anerkannt wird“. Bei ihrer Entscheidung zum Rücktritt sei es ihr auch um Respekt und Achtung vor sich selbst und ihrer Geradlinigkeit gegangen. Sie sei mehr als zehn Jahre „mit Leib und Seele“ Landesbischöfin gewesen und habe alle ihre Kraft in diese Aufgabe gegeben. Sie bleibe Pastorin der hannoverschen Landeskirche. Diese bedauerte den Rücktritt und zollte Käßmann Respekt. Sie habe die Kirche in wichtigen Arbeitsfeldern entscheidend vorangebracht. Ihr unbedingtes Anliegen sei gewesen, „mit dem Evangelium mitten in der Welt präsent zu sein“.

Stellvertretender EKD-Ratsvorsitzender: Leben aus Vergebung

Der stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende, der rheinische Präses Nikolaus Schneider (Düsseldorf), und die Präses der EKD-Synode, Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) nahmen gemeinsam zu Käßmanns Rücktritt Stellung. Dieser sei ein schwerer Verlust für den deutschen Protestantismus. Zugleich entspreche der Schritt der Geradlinigkeit Käßmanns. Ein christlicher Umgang mit einem schlimmen Fehler sei vom Wissen um die eigene menschliche Fehlerhaftigkeit und Vergebungsbedürftigkeit getragen. Käßmann habe ihren Fehler sofort eingestanden und sei „eine glaubwürdige Zeugin für ein Leben aus der Vergebung Gottes“. Schneider wird zunächst die Amtsgeschäfte als EKD-Ratsvorsitzender übernehmen. Das Gremium kommt am 26. und 27. Februar in Tutzing bei München zusammen.

Rüß: Hochachtung für Rücktritt

Der Vorsitzende der theologisch konservativen Konferenz Bekennender Gemeinschaften in den evangelischen Kirchen Deutschlands, Pastor Ulrich Rüß (Hamburg), brachte seine Hochachtung für Käßmanns Schritt zum Ausdruck. Dieser sei notwendig gewesen, weil – wie sie selbst gesagt habe – das Amt als Ratsvorsitzende und Bischöfin beschädigt sei. Damit repräsentiere sie die Kirche „und in gewisser Weise auch Christus und das Evangelium“, sagte Rüß dem Nachrichtensender n-tv. Außerdem habe durch ihren Fehltritt ihre Glaubwürdigkeit als „moralische Instanz“ gelitten.

„Erschrocken über schlimmen Fehler“

Käßmann hatte am späten Abend des 20. Februars in Hannover eine rote Ampel missachtet und war von der Polizei überprüft worden. Die Blutprobe ergab einen Alkoholpegel von 1,54 Promille. Sie musste ihren Führerschein abgeben, weil sie fahruntüchtig war. Ihr droht ein Strafverfahren mit einer Geldstrafe oder Gefängnis von bis zu einem Jahr. Käßmann zeigte sich reumütig: „Ich bin tief erschrocken, dass ich so einen schlimmen Fehler gemacht habe. Mir ist bewusst, wie gefährlich und unverantwortlich Alkohol am Steuer ist.“ Den rechtlichen Konsequenzen werde sie sich stellen. Käßmann stand seit 1999 an der Spitze der mit knapp drei Millionen Mitgliedern größten deutschen Landeskirche. Ende Oktober wurde sie als Nachfolgerin von Bischof i.R. Wolfgang Huber (Berlin) zur Vorsitzenden des Rates der EKD gewählt. Das 14-köpfige Leitungsgremium repräsentiert 24,5 Millionen landeskirchliche Protestanten.

Steile kirchliche Karriere

Mit dem Rücktritt wurde eine steile kirchliche Karriere gestoppt. Margot Käßmann, am 3. Juni 1958 in Marburg (Lahn) geboren, studierte Theologie in Tübingen, Edinburgh, Göttingen und Marburg. Als Jugenddelegierte nahm sie 1983 Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Vancouver (Kanada) teil, auf der sie als jüngstes Mitglied in den Zentralausschuss gewählt wurde. 2002 trat sie aus dem Gremium aus, weil der ÖRK aus Rücksicht auf die orthodoxen Kirchen auf ökumenische Gottesdienste verzichtete. Von 1991 bis 1998 war sie Mitglied des ÖRK-Exekutivausschusses. Ihre Laufbahn als evangelische Geistliche begann 1983 als Vikarin in Wolfhagen bei Kassel; 1985 wurde sie als Pfarrerin ordiniert. Bis 1990 nahm sie mit ihrem Mann Eckhard Käßmann eine Pfarrstelle in Nordhessen wahr. Anschließend wurde sie Beauftragte für den Kirchlichen Entwicklungsdienst der kurhessen-waldeckischen Kirche. Von 1992 bis 1994 war sie Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Hofgeismar. Bis zur Wahl zur hannoverschen Landesbischöfin im Jahr 1999 amtierte sie als Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Frau Käßmann ist Mutter von vier Töchtern. Im Jahr 2007 ließ sie sich nach 26-jähriger Ehe scheiden.

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