Lehmann bezieht sich mit seiner Einschätzung auf die Beschlüsse der so genannten „Missionssynode“ der EKD von 1999 in Leipzig. Was auf dieser Synode beschlossen wurde, sei an der Basis überhaupt noch nicht angekommen. Ein deutliches Zeichen für die Ernsthaftigkeit der Beschlüsse und deren Umsetzung ist doch, ob die Kirche auch das Geld dafür bereitstelle, um Evangelisten zu bezahlen. Lehmann:
„Wir haben in der sächsischen Landeskirche (ich war damals Jugendevangelist) vier hauptamtliche Evangelisten gehabt. Die sind alle gestrichen. Wir haben jetzt nur noch einen einzigen Evangelisten, Lutz Scheufler, und der wird gar nicht voll bezahlt. Wenn es ständig heißt, das ist die Hauptsache, dass wir evangelisieren, und wir stellen gar keine Evangelisten ein, halten nicht mal das Niveau, was wir zur DDR-Zeit gehabt haben, da stimmt doch irgendwas nicht.“
Auf die Frage, ob er das mal dem Landeskirchenamt mitgeteilt hätte und was ihm geantwortet wurde, sagte Lehmann: „Der Oberlandeskirchenrat, der das zu bearbeiten hatte, war ein Jahr vor der Rente und er hätte keine Kraft mehr gehabt, sich was Neues einfallen zu lassen.“ Mit Nachdruck hätte Lehmann damals angemahnt, dass man den wichtigsten Zweig der Landeskirche nicht ausfallen lassen könne, nur weil der Oberlandeskirchenrat müde geworden sei. – Evangelisation ist, so Lehmann, „dass ich Menschen, die noch nichts von Jesus gehört haben, in einer für sie verständlichen Weise die Botschaft von Jesus bringe, sie ihnen erkläre und sie vor die Entscheidung stelle: Willst du jetzt mit Jesus leben oder nicht. Und ihnen auch eine Möglichkeit gebe, diese Entscheidung zu vollziehen. Bis zu diesem Punkt muss es gehen.“ – Es reiche nicht, wenn heutzutage jede Kaffeefahrt und jede kirchliche Veranstaltung, wo vielleicht ein „Gebetlein vorm Essen“ gesprochen wird, schon als eine evangelistische Veranstaltung zu verbuchen. Das seien alles nur „Vorwärmstüfchen“, um einen Menschen für das Evangelium zu gewinnen, aber mit Evangelisation hätte das noch gar nichts zu tun. –
„Ich glaube, dass wir in Deutschland vor allem gläubige Pfarrer brauchen und auch gläubige Professoren und Dozenten, die in der Ausbildung tätig sind und die jungen Leute lehren, die dann später als Pfarrer in die Gemeinden kommen. Wenn wir eine Pfarrerschaft haben, die offen zugibt, dass sie weder an die Auferstehung glaubt noch an das Gericht, dann ist das die eigentliche Katastrophe. Und dass von denen natürlich nichts kommt, damit andere Menschen den Weg zu Gott finden, das ist ja nur logisch.“
Auf die Frage, wo Lehmann die Ursache dieses Desasters sehe, dass so viele Pfarrer vergleichsweise nicht an den Herrn der Kirche glauben können, sagte er: „Wir haben doch eine lange Theologiegeschichte hinter uns. Und es zeigt sich immer wieder: Wenn gläubige Leute in die Universität gehen, manche zerbrechen dort, manche kommen gewandelt wieder raus und manche bleiben bei ihrem einfachen geraden biblischen Glauben. Also wir kriegen nach der Ausbildung ganz andere Menschen geliefert, als wir sie dort reingegeben haben. Bei dieser Ausbildung fallen die eigentlichen Entscheidungen. Durch die Ausbildung muss ja jeder durch. Egal ob staatliche oder kirchliche Ausbildung, wir finden überall liberale Theologie, liberale Theologen, die genau diese Dinge erzählen, dass das Grab Jesu nicht leer gewesen sei. Wo den Leuten eingeredet wird, dass das, was da in der Bibel steht, so gar nicht stimmt.“ –
Zur Entscheidung, ob ein junger Christ, der Pfarrer werden will, an die Theologische Fakultät Leipzig oder an die Freie Theologische Hochschule nach Gießen gehen soll, rät Lehmann:„Ich würde jungen Leuten durchaus raten: Geht an die Theologische Fakultät nach Leipzig. Man muss sich ja mit solchen Dingen auseinandersetzen. Aber man muss diese Menschen begleiten, was wir in Leipzig ja gerade jetzt haben, diesen Theo-Kreis. Dass es da junge Theologen gibt, die sich von dieser Universitätstheologie nicht die ganze Zeit beeinflussen lassen wollen, sondern einen eigenen Kopf haben und sich selber theologische Gedanken machen: Ist das eigentlich wahr, was ich hier gesagt kriege? Ich würde jungen Leuten durchaus empfehlen diesen Weg zu gehen, man muss gemeinsam mit anderen gehen und sich helfen lassen. Wer ganz alleine durch die Mühle der modernen Theologie geht, der hat natürlich wenig Chance.“