29. Januar 2022

Faktenprüfung mißverständlich: „Correctiv“ verliert vor Oberlandesgericht

Quelle: jungefreiheit.de

KARLSRUHE. Das Onlinemagazin Tichys Einblick hat im Streit über eine sogenannte Faktenprüfung auf Facebook vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe einen Prozeß gegen die Recherchegruppe „Correctiv“ gewonnen. Die „Darstellung einer Faktenprüfung auf Facebook darf nicht mißverständlich sein“, urteilten die Richter des 6. Zivilsenats am Mittwoch.

Damit widerrief das Oberlandesgericht Karlsruhe eine Entscheidung des Landgerichts Mannheim, das „Correctiv“ zuvor rechtgegeben hatte. Tichys Einblick hatte im September vergangenen Jahres über einen offenen Brief an UN-Generalsekretär António Guterres geschrieben. In dem Schreiben betonten die Unterzeichner, es gebe keinen Klimanotstand. Das Magazin veröffentlichte den Beitrag mit der Überschrift „500 Wissenschaftler erklären: ‘Es gibt keinen Klimanotfall’“.

„Prüfeintrag für durchschnittlichen Facebook-Nutzer mißverständlich“

„Correctiv“, das im Auftrag von Facebook Inhalte auf seine Fakten überprüft, stufte den Eintrag als „teils falsch“ ein, wodurch Nutzern des sozialen Netzwerks ein entsprechender Hinweis angezeigt und die Sichtbarkeit eingeschränkt wurde. Laut „Correctiv“ handle es sich nicht bei allen Unterzeichnern um Wissenschaftler und einige der in dem Brief geäußerten Behauptungen seien unzutreffend. Zudem seien relevante Informationen nicht berücksichtigt worden.

Tichys Einblick klagte dagegen mit der Begründung, daß es sich dabei nicht um einen Faktencheck, sondern um eine Wertung handle und die Arbeit des Recherchenetzwerks als Akteur mit Sonderstatus auf Facebook unlauteren Wettbewerb darstelle. Das Oberlandesgericht gab nun dem Eilantrag auf Unterlassung recht. „Entscheidend war dabei, daß die konkrete Ausgestaltung des Prüfeintrags für den durchschnittlichen Facebook-Nutzer nach Auffassung des Senats mißverständlich war“, hieß es in einer Mitteilung des Gerichts.

Kein Urteil über Faktenprüfungen im Allgemeinen

So habe sich die Kritik von „Correctiv“ weit überwiegend auf den offenen Brief bezogen, nicht jedoch auf die Berichterstattung des Magazins. Dies sei aber durch den „teils falsch“-Hinweis auf Facebook für die Nutzer nicht klar ersichtlich gewesen. Das Gericht betonte jedoch, daß über die Rechtmäßigkeit von solchen Faktenprüfungen im Allgemeinen damit nicht entschieden worden sei.

Das Urteil stärke die Meinungsfreiheit in den sozialen Netzwerken, zitierte die FAZ den Anwalt Joachim Steinhöfel, der Tichys Einblick in dem Prozeß vertrat. „Die Frage, was wahr, falsch, richtig oder unrichtig ist, sollte nach diesem Urteil auch auf Facebook dem politischen Diskurs überlassen bleiben.“

Steinhöfel kritisierte: „Was ‘Correctiv’ auf Facebook betreibt, ist ein als Faktencheck getarnter Eingriff in die Meinungs- und Informationsfreiheit. Das ganze System dieser Grundrechtseingriffe, die institutionalisierte Rechthaberei, die unkontrollierte Anmaßung über Wahr oder Unwahr zu befinden, stehen zur Disposition, da diese jetzt auch wettbewerbsrechtlich angegriffen werden können.“ (ls)

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