21. Januar 2022

Es geht um unsere Seele

Quelle: jungefreiheit.de

Die deutsche Journalistin und Publizistin Birgit Kelle. Foto: Thomas Schneider/agwelt

Kann man die Gender-Uhr zurückdrehen? Ja, Mann kann. Und Frau auch. Weitestgehend ignoriert von progressiven Medienmachern hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Gender-Schreibweisen in amtlichen Dokumenten in seinem Land per Dienstanweisung schon im Herbst 2017 schlicht verboten.

Eine Anweisung von oben und Schluß ist mit lustigen Gender*Sternchen, Gender-Sprachlücken und irrsinnig vielfältigen Schreibweisen im Dienste einer ominösen „Gendergerechtigkeit“. Daß man die Protagonisten des deutschen Sprachruins in unserem Land nicht nur staatlich ungestört, sondern gar finanziell protegiert gewähren läßt, ist möglicherweise das besorgniserregendste Element einer Kulturpolitik im Auflösungsmodus.

Gerade ist der deutsche Michel endlich putzmunter aufgewacht. Gleich zwei Petitionen, eine initiiert vom Verein Deutsche Sprache und eine von prominenten Vertretern aus Kultur, Literatur, Wissenschaft, Pädagogik und Medien sammeln aktuell Zehntausende Stimmen genervter Bürger gegen die Sprach-Auswüchse und Sprach-Bevormundung durch „Gender-Unfug“ mit amtlichem Segen. Zeit wurde es jedenfalls, daß sich Widerstand regt und offen artikuliert wird, allen Anfeindungen selbsternannter, „gendergerechter“ Kreise zum Trotz, die Gender-Kritik lange erfolgreich an den politisch rechten Rand verbannen konnten.

Sprache wird durch Zwang verändert

Die Gender-Titanic ist gerade auf den basisdemokratischen Eisberg geprallt. Kein Wunder, daß die Hüter des Gender-Grals den offenen Diskurs über Sinn und Unsinn des Sprachgenderns bis heute nicht nur zu unterdrücken, sondern systematisch zu bekämpfen versuchen.

Räumen wir also gleich ein beliebtes Argument engagierter Gender-Sprachverteidiger aus dem Feld, Sprache sei schließlich schon immer im Wandel gewesen, das sei ein ganz normales Phänomen und Erstsemesterwissen für Sprachwissenschaftler. Richtig ist, daß es einen gewaltigen Unterschied macht, ob Sprache sich natürlich durch Gebrauch verändert oder absichtsvoll durch Zwang verändert wird.

Sprache ist politisch, sie ist Umerziehungsinstrument, Unterdrückungsgehilfe und politischer Gesinnungshelfer. Es gibt keinen gerechten Sprachzwang. Und so weiß man nicht recht, soll man sie auslachen oder beweinen, all die nützlichen Idioten, die mit ihrer vermeintlichen „Gendergerechtigkeit“ am Ast ihrer eigenen Freiheit sägen? Wir sehen also neuerdings zwei gegenläufige Bewegungen aufeinanderprallen.

Gutmeinenden unterwerfen sich freiwillig dem Sprachdiktat

Auf der einen Seite das Volk, das „frei Schnauze“ reden will, die schlichten Pragmatiker, die Sprachliebhaber und die Verteidiger von Tradition und Grammatik. Auf der anderen Seite das aus Steuermitteln gemästete System aus Lehrstühlen, Beauftragten und Nutznießern, aber am allerschlimmsten: Gutmeinenden, die sich dem Sprachdiktat freiwillig unterwerfen in dem vermeintlich wohltuenden Gefühl, auf der richtigen Seite der Macht zu stehen.

„Wie machen wir Sprache gerechter“ fragt entsprechend naiv und dämlich der Deutsche Journalisten-Verband aktuell auf dem Titel seines Verbandsmagazins. Dem Chefredakteur ist das Argument „Prägnanz und Lesbarkeit“, welches Gegner der Gender-Sprache ins Feld führen, immerhin noch „nachvollziehbar“, aber es „überzeugt“ nach seiner Ansicht nicht.

Gender-Sprache ist nicht witzig

Auch wenn bisher kein „Königinnenweg“ gefunden worden sei, welche Schreibweise zwischen „Journalist_Innen“ und „Alle, die im Journalismus tätig sind“ richtig ist, wichtig sei ja, daß „Redaktionen versuchen und ausprobieren, gleichberechtigter zu formulieren“. Man mag spontan einwenden, möglicherweise wäre es gar wichtiger, die Nutzung des eigenen Denkvermögens ebenfalls zu versuchen und auszuprobieren, statt sich sein wichtigstes Handwerkszeug und Instrument – die Sprache – in einer Art beruflichem Offenbarungseid selbst mutwillig zu zerstören.

„Kein größerer Schaden kann einer Nation zugefügt werden, als wenn man ihr den Nationalcharakter, die Eigenart ihres Geistes und ihre Sprache nimmt“, formulierte Immanuel Kant. Kommen wir zum Kern. Gender-Sprache ist nicht witzig, auch wenn sie so klingt.

Es reicht nicht, von Gender-Unfug, Verhunzung der Sprache oder Gender-Gaga zu reden, auch wenn ich letzteren Begriff sogar selbst mit gleichnamigem Buchtitel mitkreiert habe. Lachen über den nackten Kaiser im vermeintlichen Gender-Hemdchen ist das eine. Ihn zu unterschätzen, etwas fatal anderes.

Gender-Ideologie ist Schrittmacher der totalen Entgrenzung

Sich nur auf den Unfug, der im Namen von Gender-Ideologen verbreitet wird, zu konzentrieren, ist eine gefährliche Reduktion des Problems auf arme Irre, die statt Selbsthilfegruppen neuerdings Uni-Seminare organisieren. Eine Verkleinerung und eine Verniedlichung einer nahezu totalitären Bewegung.

„Wenn Wörter ihre Bedeutung verlieren, verlieren die Menschen ihre Freiheit.“ Konfuzius formulierte bereits vor 2.500 Jahren diese Bedienungsanleitung für totalitäre Regime. Wer einen Stuhl plötzlich Tisch nennen muß, wird nicht von sprachlichen Zuschreibungen befreit, dem wird stattdessen eine verlogene Realität aufgezwungen. Wer eine Frau nicht mehr Frau nennen soll, gibt ihr nicht die Freiheit, sich von ihrem Geschlecht zu emanzipieren und es selbst zu schaffen, sondern raubt ihr die Weiblichkeit. Und in letzter Konsequenz ihre Identität.

Gender-Ideologie ist Schrittmacher in einer Zeit der totalen Entgrenzung und Entkernung von Gewißheiten, Normalitäten und Ereignissen. Multikulturell, multinational und jetzt auch noch geschlechtslos soll er sein, der neue Mensch. Nicht mehr verwurzelt, in Nation, Kultur, Sprachraum und Geschlecht, sondern aufgelöst in globalisierten, grenzenlosen, gesichtslosen und geschlechtslosen Zweckbündnissen auf Zeit. Seelenlose Modernisierungsnomaden auf der Suche nach innerer und äußerer Heimat. Verordneter Identitätsverlust im Namen der Freiheit. Gender-Sprache ist der scheinheilige Wegweiser in diesen Abgrund.

JF 12/19

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