3. Dezember 2021

Wenn Christen und Muslime heiraten

Quelle: idea.de

Interreligiöse Trauung - Foto: JMG/pixelio.de

Frankfurt am Main (idea) – Wie sollen Geistliche reagieren, wenn ein christlich-muslimisches Paar eine religiöse Traufeier wünscht? Für solche Fälle hat die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau jetzt eine Orientierungshilfe veröffentlicht. Sie stößt in theologisch konservativen Kreisen auf heftige Kritik. Die Handreichung unter dem Titel „Lobt und preiset ihr Völker! Religiöse Feiern mit Menschen muslimischen Glaubens“ wurde vom Zentrum Ökumene in Frankfurt am Main erarbeitet.

Vier Jahre lang hat eine Arbeitsgruppe unter Leitung der Beauftragten für interreligiösen Dialog, Pfarrerin Susanna Faust Kallenberg, das 80-seitige Dokument erstellt. Vor der Veröffentlichung wurde das Papier, wie es im Vorspann heißt, den Pröpstinnen und Pröpsten sowie dem Kirchenpräsidenten und seiner Stellvertreterin vorgelegt. Die Broschüre enthält Tipps für Lieder, muslimische und christliche Gebete, Lesungen von Bibel- und Koranversen sowie Formulierungen für das Partnerschaftsversprechen, für die Traufragen und das Segensgebet. Es wird empfohlen, zur Feier einen Imam hinzuzuziehen.

Theologe: Es gibt nur den einen Gott

Darüber hinaus erhält die Handreichung theologische Grundlagen für gemeinsame Feiern von Christen und Muslimen. So schreibt der frühere hessen-nassauische Pfarrer Prof. Reinhold Bernhardt, der heute Theologie in Basel lehrt, das biblische Eheverständnis setze nicht zwingend voraus, dass beide Partner Christen seien. Das Neue Testament zeige, dass der urchristlichen Gemeinde eine Ehe mit Christen und Nichtchristen vertraut gewesen sei. Auch sei ein gemeinsames Gebet möglich. Zur Frage, ob Christen und Muslime zum selben Gott beten, schreibt der Theologe: „Es gibt nur den einen Gott, und dieser Gott ist der Gott des ganzen Kosmos, der die gesamte Geschichte mit seinem Geist durchdringt und sich damit auch den Angehörigen aller Religionen vergegenwärtig.“ Bedenken von manchen Christen und Muslime, die dies anders sehen, seien aber ernstzunehmen. Doch eröffne die Freiheit des christlichen Glaubens Spielräume: „Es kann Ausdruck dieser Freiheit sein, den Gott, wie er sich in Christus offenbart hat, mit den Worten einer anderen Tradition zu loben.“

Kritik und Einwände erwartet

Dass es Vorbehalte und Kritik an dieser Überzeugung geben könnte, damit rechnet der Leiter des Zentrums Ökumene, Oberkirchenrat Detlev Knoche. Die Orientierungshilfe sei „keine theologisch verbindliche Positionierung“, schreibt er im Vorwort. Sie wolle zur weiteren Diskussion Anstöße geben. Bei der Vorstellung der Publikation wurde deutlich, dass es in der hessen-nassauischen Kirche bereits solche christlich-muslimischen Eheschließungen gegeben hat.

Islamexperte: „Theologischer Unfug“

Die Handreichung stößt in theologisch konservativen Kreisen auf scharfe Kritik. Der Islamexperte, Kirchenrat i. R. Albrecht Hauser (Korntal bei Stuttgart), nannte die Broschüre gegenüber idea „theologischen Unfug“. Unterschiede zwischen Christentum und Islam könnten nicht einfach übergangen werden. Es sei auch ein seelsorgerliches Problem, wenn sich ein Christ und ein Muslim verlieben: „So eine Beziehung wird immer problematisch sein, wenn jeder Partner seinen Glauben ernstnimmt.“ Aus muslimischer Sicht sei die Ehe zwischen einer Christin und einem Muslim nur gültig, wenn sie nach den Regeln des islamischen Religionsgesetzes, der Scharia, geschlossen werde. Die Kinder müssten dann nach der Religion des Vaters erzogen werden, und die Frau könne ihren Mann nicht beerben, während er sich einfach von ihr scheiden lassen könne.

Team.F: Solche Ehen stehen unter großem Druck

Ähnlich argumentierte auch der Vorsitzende der christlichen Eheberatungsinitiative Team.F, Siegbert Lehmpfuhl (Rangsdorf bei Berlin). Aus seiner Beratungsarbeit wisse er, dass christlich-islamische Ehen unter großem Druck stünden, vor allem wenn der Ehemann Muslim sei. Ehefrauen müssten sich nicht selten „bis zur Selbstaufgabe bedingungslos unterordnen“. Lehmpfuhl bedauerte die Handreichung auch grundsätzlich. Angesichts der gesellschaftlichen Gefährdung der klassischen Ehe komme diese Stellungnahme zur falschen Zeit: „Die Kirche sollte sich darauf konzentrieren, das Gute zu fördern und zu stärken.“

Weißes Kreuz: „Mir sträuben sich die Nackenhaare“

Der Generalsekretär des Evangelischen Fachverbandes für Sexualethik und Seelsorge „Weißes Kreuz“, Rolf Trauernicht (Ahnatal bei Kassel), kritisiert die Religionsvermischung in der Handreichung: „Der Gott des Islam ist nicht der Gott der Christen. Es ist ein anderer Gott.“ Dass eine Kirche eine solche Publikation herausgibt, ist ihm unverständlich: „Mir sträuben sich die Nackenhaare.“ Trauernicht hält es für ausgeschlossen, dass eine christlich-muslimische Ehe funktionieren kann, wenn beide Partner ihren Glauben wirklich leben wollen und der Christ dabei „die Nachfolge Jesu Christi ernstnimmt“.