25. Mai 2022

Viel Kritik an Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Quelle: idea.de

Berlin/Hannover (idea) – Dass der Bundesgerichtshof (BGH) Gentests an Embryonen erlaubt hat, ist bei Kirchenvertretern, Lebensrechtlern und zahlreichen Politikern auf heftige Kritik gestoßen. Die Richter hatten am 6. Juli einen Berliner Frauenarzt freigesprochen, der die in Deutschland verbotene Präimplantationsdiagnostik (PID) angewandt hatte.
 

Bei der PID werden Eizellen, die im Reagenzglas befruchtet wurden, auf genetische Krankheiten untersucht, bevor sie einer Frau eingepflanzt werden. Ziel ist es, vermutlich defekte Embryonen frühzeitig auszusondern. Dieses Verfahren wurde bisher weitgehend als Verstoß gegen das deutsche Embryonenschutzgesetz angesehen, wonach Embryonen künstlich nur zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erzeugt werden dürfen. Nach Ansicht der Bundesrichter ist dieses Gesetz aber nicht auf die PID anwendbar, da es diese Methode bei der Abfassung des Gesetzes noch nicht gegeben habe. Der Berliner Frauenarzt habe die PID angewandt, um Frauen durch eine künstliche Befruchtung zu gesunden Kindern zu verhelfen. Deswegen habe er Embryonen, die er für genetisch belastet hielt, sterben lassen dürfen. Dem Bundestag rieten die Richter zu einer Präzisierung des Embryonenschutzgesetzes.

EKD lehnt PID ab

Kritik an der BGH-Entscheidung übte der Präsident des EKD-Kirchenamtes, Hermann Barth (Hannover). Die Würde auch des frühen menschlichen Lebens verbiete es, als Material und Mittel zu anderen Zwecken erzeugt oder genutzt zu werden. Die PID bezwecke den Verbrauch und die Vernichtung von Embryonen. Auch das EKD-Ratsmitglied Tabea Dölker (Holzgerlingen bei Böblingen) sieht das Urteil „äußert kritisch“. Es habe eine neue ethische Diskussion über den Wert des Lebens eröffnet, sagte sie gegenüber idea. Das Recht auf Leben gelte ab der Verschmelzung von Eizelle und Samen. Ein Aufweichen dieses Grundsatzes führe zu zahlreichen Fragen, etwa welche Krankheiten eine Selektion rechtfertigten oder wer dafür Kriterien festlegen dürfe. Angesichts der Schwierigkeit, darauf klare Antworten geben zu können, habe der Rat der EKD bereits in der vergangenen Legislaturperiode ein deutliches Nein zur PID gesagt. An dieser Position habe sich nichts geändert. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz befürchtet, dass sich Eltern Behinderter künftig zunehmend dafür rechtfertigen müssen, sich für das Kind entschieden zu haben.

„Schlecht informierte Richter“

Auch der Vorsitzende der Juristen-Vereinigung Lebensrecht, Bernward Büchner (Freiburg), warnt vor „verheerenden Folgen“ für die Einstellung gegenüber Menschen mit Behinderungen. Die Richter hätten die „Tötung embryonaler Menschen aus eugenischen Gründen erlaubt“, obwohl dies im Blick auf Abtreibungen ausdrücklich ausgeschlossen sein soll. Die Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA), die Ärztin Claudia Kaminski (Köln), äußerte sich „schockiert“. „Offensichtlich schlecht informierte Richter“ hätten „Hand an den Embryonenschutz gelegt“. Beispielsweise hätten sie nicht die Selbstheilungskräfte von Embryonen berücksichtigt.

Auf dem Weg zu „Designer-Babys“?

Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU), sieht einen „Dammbruch“ beim Lebensschutz. Es gehe nur noch darum, zwischen Lebenswertem und Nicht-Lebenswertem zu unterscheiden. Nach Ansicht des Vorsitzenden des Evangelischen Arbeitskreises der CDU Nordrhein-Westfalen, des Bundestagsabgeordneten Volkmar Klein, ebnet die PID den Weg zu sogenannten „Designer-Babys“ und erleichtert die Aussortierung von Embryonen zum Beispiel nur aufgrund ihres Geschlechts. Vertreterinnen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen befürchten ebenfalls eine Ausweitung der PID. Der stellvertretende forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, René Röspel, lehnt persönlich eine Zulassung der PID ab. Er kenne keine Vorschläge, wie sich die PID auf mögliche schwerwiegende Erkrankungen beschränken lasse, sagte er gegenüber idea. Einzelne nachvollziehbare Fälle rechtfertigten keine grundsätzliche Abkehr von den Zielen des Embryonenschutzgesetzes. Der Umgang mit den neuen Techniken solle in einem Fortpflanzungsmedizin-Gesetz geregelt werden. Dagegen begrüßte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) den Richterspruch. Das Urteil schaffe Rechtssicherheit. Die PID könne Paaren in schwierigen Konfliktlagen helfen, späte Schwangerschaftsabbrüche oder Fehlgeburten zu vermeiden.