26. Oktober 2021

Ist nichts gut in Afghanistan?

Quelle: idea.de

Nikolaus Schneider diskutiert mit Karl-Theodor zu Guttenberg.

Berlin (idea) – Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und der amtierende EKD-Ratsvorsitzende, Präses Nikolaus Schneider (Düsseldorf), bewerten den Bundeswehreinsatz in Afghanistan unterschiedlich. Das wurde bei einer Diskussion am 16. Juni in Berlin deutlich.
 

Schneider beurteilte die Erfolgsaussichten als „wahrscheinlich sehr gering“. Dagegen hob zu Guttenberg die Fortschritte beim zivilen Aufbau hervor. Das Gespräch fand in der Reihe „Treffpunkt Gendarmenmarkt“ statt, zu der der EKD-Bevollmächtigte bei der Bundesregierung, Prälat Bernhard Felmberg, eingeladen hatte. Das Treffen war nach den kritischen Äußerungen der früheren EKD-Ratsvorsitzenden, Landesbischöfin a.D. Margot Käßmann (Hannover) zum Afghanistan-Einsatz geplant worden. Sie hatte mit der Aussage „Nichts ist gut in Afghanistan“ in ihrer Neujahrspredigt eine heftige Debatte über den Sinn des Einsatzes ausgelöst. Schneider zufolge zahlt Deutschland für den Einsatz einen sehr hohen Preis. Er erinnerte an die in Afghanistan gestorbenen, verwundeten oder traumatisierten Soldaten. Zudem seien – laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung – die Kosten für den Einsatz mit drei Milliarden Euro pro Jahr dreimal so hoch wie vom Verteidigungsministerium angegeben. Schneider forderte den Bundestag dazu auf, neben einer militärischen Mandatierung des Afghanistan-Einsatzes auch eine „zivile Mandatierung“ zu erteilen. Dadurch könnten die zivilen Anstrengungen in der Öffentlichkeit besser wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Zudem solle ein Datum beschlossen werden, an dem der gesamte Einsatz bewertet werde. Schneider: „Die EKD wünscht sich eine umfassende und kritische Prüfung und Bilanzierung dieses Einsatzes.“ Man müsse die Frage beantworten, ob die Afghanistan-Politik gescheitert sei oder nicht. Zugleich sicherte Schneider zu Guttenberg die Solidarität der Kirche zu. Schneider: „Wir schließen Sie in unsere Gebete ein und hoffen von Herzen, dass Sie Wege finden werden, die zum Frieden führen können.“

Zu Guttenberg: Afghanistan-Politik nicht gescheitert

Laut zu Guttenberg hatte der Bundeswehr-Einsatz bisher nicht den gewünschten Erfolg. Dennoch sei die Afghanistan-Politik nicht gescheitert. Seit dem Beginn des Einsatzes im Jahr 2001 seien bedeutende Fortschritte erreicht worden. So hätten sich die Gesundheitsversorgung sowie der Ausbau der Infrastruktur (Bau von Schulen, Strom- und Trinkwasserversorgung, Minenräumung) deutlich verbessert. Heute besuchten 6,5 Millionen Kinder eine Schule, 2001 seien es nur 1,5 Millionen gewesen. Käßmanns Worte „Nichts ist gut in Afghanistan“ müsse man daher differenzieren, so der Minister. Zudem stelle sich die Frage, welchen Preis man für eine Alternative zum Afghanistan-Einsatz zahlen würde. So würde ein sofortiger Truppenabzug zur Destabilisierung der Region führen und einen Domino-Effekt auf Nachbarländer wie Pakistan auslösen. Zu Guttenberg bedankte sich für den Einsatz der Militärseelsorge und lobte die Diskussionsbeiträge der Kirche. Sie leiste einen „sehr hilfreichen Anstoß“.

Deutschland hat wieder ein Kriegsveteranen-Problem

Der Evangelische Militärbischof, Martin Dutzmann (Detmold), sagte, Deutschland habe wieder ein Kriegsveteranen-Problem. Viele Soldaten litten unter posttraumatischen Belastungsstörungen. Die Streitkräfte erwarteten von der Politik eine Antwort auf die Frage, wofür sie ihr Leben riskierten. Der EKD-Beauftragte für Friedensfragen, Pastor Renke Brahms (Bremen), forderte dazu auf, für den Wiederaufbau Afghanistans Ziele festzulegen und deren Erreichung regelmäßig zu überprüfen. Zudem solle man weniger Geld für den Bau von Raketen investieren und dafür mehr Geld für die Friedensforschung ausgeben.