30. Juni 2022

Religiöse Hingabe nicht pauschal fundamentalistisch nennen

Quelle: idea.de

Reinhard Hempelmann: Mitunter wird Fundamentalismus-Kritik zur Religionskritik.

München (idea) – Gegen Pauschalisierungen in der Kritik am religiösen Fundamentalismus hat sich der Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), Pfarrer Reinhard Hempelmann (Berlin), gewandt.
 

In den Medien gebe es heute die Tendenz, jede Form religiöser Hingabe unter Fundamentalismus-Verdacht zu stellen, sagte er am 14. Mai auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag in München. Mitunter nehme die Fundamentalismus-Kritik die Form einer grundsätzlichen Religionskritik an. So stelle sich die Frage, ob es nicht auch „Formen von Anti-Fundamentalismus gibt, die selbst fundamentalistische Züge tragen“. Laut Hempelmann muss man deutlich unterscheiden zwischen Fundamentalisten, die sich auf eine bestimmte Heilige Schrift beziehen, aber nicht gewaltbereit sind, und solchen, die ihren Glauben mit einer politischen Option verbinden und dazu auch Mittel der Gewalt bejahen. Auf idea-Nachfrage sagte der Theologe, in Deutschland sehe er keine fundamentalistischen christlichen Gruppen mit gewaltbereiter Haltung. Er rief dazu auf, die Diskussion mit religiösen Fundamentalisten zu suchen. Fundamentalistische Orientierungen könnten gerade bei jungen Menschen ein vorübergehendes Phänomen sein. Hempelmann bezeichnete Fundamentalismus als den Versuch, angesichts der Verunsicherung von Urbanisierung und Modernisierung Eindeutigkeit zu schaffen. Auf religiösem Gebiet geschehe dies durch ein wortwörtliches Verständnis heiliger Texte.

„Fundamentalisten sind ohne Fundament“

Der Religionswissenschaftler Prof. Georg Schmid (Rüti/Schweiz), bezeichnete Fundamentalisten als Menschen, „die kein Fundament unter den Füßen haben“. Sie seien kulturell entwurzelt und deshalb verunsichert. Weil sie ohne Fundament seien, klammerten sie sich an ein göttliches Wort. Laut Schmid werden Fundamentalisten dann gefährlich, wenn sie die Einstellung haben „Wir gegen den Rest der Welt“. Jede Gesellschaft müsse dafür sorgen, dass Fundamentalisten eine Minderheit bleiben. Wenn sie mehrheitsfähig würden, bedeute dies das Ende der Demokratie.