30. November 2021

Kirchentag: Scharfe Kritik an Israels Politik

Quelle: idea.de

(v.l.): Prof. Assaad Elias Kattan, Landesbischof Johannes Friedrich, Roland Löffler (Moderator), Sumaya Farhat-Naser, Pater Emanuel Youkhana. Foto: idea/Ottmar

München (idea) – Scharfe Kritik an der Politik Israels haben die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag in München geübt. Die Besetzung der Palästinensergebiete führe dazu, dass immer mehr Christen das Land verlassen, sagte die palästinensische Friedenspolitikerin Sumaya Farhat-Naser (Bir Zait bei Jerusalem) am 13. Mai auf dem Podium „Christen im Nahen Osten“.
 

Sie sprach von einem „System der Vertreibung“, unter dem sowohl die muslimischen als auch christlichen Palästinenser zu leiden hätten. Christen hätten nicht nur das Recht, sondern eine Pflicht, Widerstand zu leisten – allerdings nur mit friedlichen Mitteln. Farhat-Naser nahm damit Bezug auf ein vor kurzem von palästinensischen Christen veröffentlichtes Papier. Darin wird auch zu einem wirtschaftlichen Boykott Israels aufgerufen. Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Johannes Friedrich (München), lobte die Veröffentlichung, da sie von „Versöhnungsbereitschaft“ geprägt sei. Sie grenze sich klar von radikalen religiösen Positionen ab. Auch das Existenzrecht Israels werde nicht infrage gestellt. Dem Boykottaufruf könne man sich aber nicht anschließen. Er erinnere die Kirchen in Deutschland an den Aufruf der Nationalsozialisten: „Kauft nicht bei Juden!“

Zionismus kann nicht mit Bibel begründet werden

Kritik wurde auch an christlichen Zionisten geübt, die eine Besetzung der Palästinensergebiete mit der Bibel begründen. Der Zionismus finde darin aber keine Rechtfertigung, sagte Farhat-Naser. Zu den Zionisten zählte sie auch evangelikale Missionare, die aus den USA und vermehrt aus Westeuropa ins Heilige Land kämen. Sie sprächen den palästinensischen Christen den Glauben ab. „Wir brauchen niemanden, der uns missioniert“, meinte Farhat-Naser. Aus Sicht von Landesbischof Friedrich ist der Zionismus „mit unserem Bibelverständnis nicht zu vereinbaren“.

Palästinensische Christen auf Hilfe angewiesen

Farhat-Naser rief dazu auf, die Christen in Palästina weiter zu unterstützen. Sie seien auf die finanzielle Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Für die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts sei es zudem wichtig, Programme für Frieden und Versöhnung fortzuführen. Friedrich ermutigte die Zuhörer dazu, in den Nahen Osten zu reisen, um den Christen dort Solidarität zu vermitteln. Der libanesische Theologe Prof. Assaad Elias Kattan (Münster) sagte, Christen, Juden und Muslime müssten zu gleichberechtigten Bürgern werden. Zudem sei eine Erneuerung der politischen Systeme in der Region notwendig. Viele islamische Staaten hätten ihre diktatorische Politik damit begründet, dass sie Israel bekämpfen müssten.

Irak: Aufnahme von Flüchtlingen ist keine Lösung

Auf der Veranstaltung wurde auch die Situation der Christen im Irak beleuchtet. Laut dem Leiter eines christlichen Hilfsprogramms im Nordirak, Pater Emanuel Youkhana (Wiesbaden), gibt es seit 2003 immer wieder Übergriffe von Muslimen auf Christen. Die Regierung schaffe es nicht, die christliche Minderheit zu schützen. Die Folge sei eine Auswanderungswelle. Allerdings sei die Aufnahme von irakischen Flüchtlingen in europäischen Ländern keine Lösung. Stattdessen sollte man die christlichen Gemeinden im Nordirak unterstützen, da die Lage dort besser sei als im Rest des Landes.