25. Januar 2022

Ohne Sühnetod kein Christentum

Quelle: idea.de

Theologieprofessor Klaus Berger kritisiert Anpassung an den Zeitgeist.

B e r l i n / H e i d e l b e r g (idea) – Im Streit um die Interpretation des Kreuzestods Jesu Christi hat einer der bekanntesten deutschen Theologen, Prof. Klaus Berger (Heidelberg), Stellung genommen. Wenn sich die Vorstellung durchsetze, dass Jesus Christus nicht für die Sünden der Menschen gestorben sei, gerate das Christentum an sein Ende, erklärt der Katholik in einem Interview mit der in Berlin erscheinenden Wochenzeitung „Junge Freiheit“.

 
Seiner Ansicht nach wäre der christliche Glaube ohne das Kreuz entkernt. Dann sollten sich Christen „möglichst rasch mit Juden und Moslems zu einer allgemeinen abrahamitischen Religion vereinigen“. Dies käme „manchen auf Dialog fixierten Christen“ entgegen, die das Kreuz „zunehmend als Störfaktor“ betrachteten, weil der Islam Kreuz und Auferstehung ablehne. Auslöser für Bergers Stellungnahme waren unter anderem Hörfunkandachten des ehemaligen evangelischen Superintendenten von Bonn, Burkhard Müller, der nicht glaubt, „dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist“.

 
„Ein Gipfel der Naivität und der Unwahrhaftigkeit“
Laut Berger vertreten liberale Protestanten und Katholiken seit langem nicht mehr ein Christentum, das die Leibhaftigkeit des Leidens und der Auferstehung Jesu Christi kennt. Beides werde als peinlich und mittelalterlich empfunden. Stattdessen schließe man sich dem Zeitgeist an und versuche, den Glauben in einen Zustand zu bringen, „in dem er nichts Ärgerliches mehr hat“. Das Kreuz sei aber ein Zeichen dafür, „was wir Menschen so alles anrichten“. Gewalt könne man nicht bannen, indem man sie leugne. Berger: „Diese Harmoniesucht ist es, die etwa die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen dazu bringt, in Schulen keine Kreuze mehr zeigen zu wollen, sondern stattdessen spielende Kinder. Das ist dann der Gipfel der Naivität und auch der Unwahrhaftigkeit.“

 
„Gott als Summe von Sofakissen“
Zum Argument der Sühnetod-Kritiker, Gott sei die Liebe, sagte Berger: „Gott auf eine pauschale Formel zu reduzieren, führt zu der Vorstellung, dass Sühne nicht mehr nötig ist: Man kann machen, was man will, Gottes Liebe ist so groß, dass er sowieso alles vergibt. Gebote, Reue, Verantwortung braucht man dann nicht mehr. Das enthemmte Individuum hat freie Bahn. Gott ist dann wie eine Summe von Sofakissen.“ An der Debatte um die Bedeutung des Kreuzes zeigt sich laut Berger auch, dass es die früheren Unterschiede zwischen den Konfessionen nicht mehr gibt. Die Trennlinie verlaufe nicht mehr zwischen Katholiken und Protestanten, sondern zwischen Liberalen und Bibeltreuen, die es in beiden Konfessionen gebe.