19. Oktober 2015

Asylpolitik unter der Lupe

Roland Kirsch aus Luxemburg. Foto: privat

von Roland Kirsch (Luxemburg)

In diesen Tagen, Anfang September 2015, ging ein Bild durch die ganze Welt. Es zeigt ein Flüchtlingskind, das tot an einem türkischen Strand liegt, ertrunken auf der Flucht aus der Not. Ein solches Bild kann niemanden ungerührt lassen. Ich erdreiste mich aber zu behaupten, dass gerade das der Zweck seiner Veröffentlichung war: es soll unseren Blick auf DAS Thema dieser Tage lenken: das Flüchtlingsdrama. Gleichzeitig aber lenkt es uns ab von den etwa 30.000 Kindern, die jeden Tag (!) auf dieser Welt einen qualvollen Tod erleiden durch vermeidbare Krankheiten, Hunger und Durst, oder durch Kriegsgeschehen, und das zum Teil als Kriegssoldaten.

Jeden Tag klopfen Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern, zum Teil auch mit Kindern, an unsere Türen an, um Hilfe zu finden. Menschen in der Not verdienen unser Mitleid; Mitleid aber darf uns nicht blind machen für Fakten, die diese Menschen zu uns geführt haben, sowie für die Einstellung, die viele dieser Menschen denen gegenüber haben, die ihnen helfen.

Ohne zu zögern bezeichnen wir sie als „Flüchtlinge“. Ein Großteil von ihnen ist das aber nicht. Laut Artikel 1A der Genfer Flüchtlingskommission ist ein Flüchtling eine Person, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will.“ Das gilt z.B. für Menschen die aus Syrien, aus dem Afghanistan oder aus verschiedenen Regionen der südlichen Sahara kommen. Ihnen sollen wir unsere Solidarität zukommen lassen.

Alle anderen sind keine Flüchtlinge, sondern illegale Einwanderer. Als solche werden sie auch in vielen anderen EU-Ländern bezeichnet. Um in ein fremdes Staatsgebiet einzuwandern gibt es Gesetze und Regeln, die eine Prozedur festlegen, die es zu befolgen gilt. Wer die Bedingungen erfüllt und die benötigten Unterlagen vorlegen kann, erhält eine Einreisebewilligung. Jeder, der diese Prozedur nicht durchläuft, der die Bedingungen nicht erfüllt, und trotzdem einreist, ist illegal in dem Land. Es ist Aufgabe des Staates das Einhalten von Gesetzen zu kontrollieren und Verstöße dagegen zu ahnden, und nicht diese illegale Einreise noch zu fördern.

Sehr oft hört man das Argument, es würde diesen Menschen in ihrem Lande schlecht gehen. Dem ist entgegenzuhalten, dass es noch viel mehr Menschen schlecht geht und dass man sie nicht alle aufnehmen kann. Das ist richtig, trifft aber nicht den Kern des Problems. Mit der deutschen Asylpolitik – die aber nur zum Teil das ist, was sie vorgibt, denn ein Wirtschafts“flüchtling“ hat kein Anrecht auf Asyl – wird ein Pflaster auf das Krebsgeschwür geklebt, damit wir es nicht mehr sehen. Wenn wir die Ursache dieses Exodus nicht bekämpfen, werden wir den Exodus selbst auch nicht in den Griff kriegen, sondern ihn eher noch fördern. Hier ist Politik gefragt! Anstatt über Kritiker der aktuellen Asylpolitik herzufallen und sie als Pack, Nazis und Dunkeldeutsche zu betiteln, sollten die politisch Verantwortlichen sich vielmehr mit den Ursachen der aktuellen Probleme befassen. Mit Sicherheit scheuen sie sich vor dieser Aufgabe, sind es doch gerade sie, die mit ihrer Politik am Ursprung der Probleme stehen.

Beispiele gefällig? Es gibt deren mehr, als den Verantwortlichen lieb sein kann. Hier nur ein paar.

– Freihandelsabkommen mit verschiedenen zentralafrikanischen Ländern erlauben es der deutschen Lebensmittelindustrie, Waren ohne Einfuhrbesteuerung zu exportieren. So werden z.B. Hühnerreste (d.h. das was Rest bleibt, wenn Schenkel und Brustfleisch zu Geld gemacht worden sind) zu Spottpreisen auf dem afrikanischen Markt angeboten; Hühner aus lokalen Zuchtfarmen sind nicht mehr konkurrenzfähig, Züchter müssen ihre Farmen schließen und Angestellte entlassen.

– In den Ländern am Horn von Afrika werden die Bauern aus ihren Felder und Dörfern verjagt, um großen Multis zu erlauben, Mais in gigantischen Mengen anzubauen, damit Europa Biodiesel verkaufen kann, weil anscheinend sonst das Weltklima nicht zu retten ist. Was, oder besser wer hier nicht mehr zu retten ist, ist sonnenklar: es sind diejenigen, die mit ihren menschenverachtenden Geschäften diese Situation überhaupt erst heraufbeschworen haben.

– In den gleichen Ländern sind NGOs damit beschäftigt, ermutigt durch fette EU-Subventionen, den „dummen Eingeborenen“ zu zeigen, weshalb sie mit ihrer primitiven Lebensführung überhaupt nicht glücklich sein können. So werden neue „Dörfer“ aufgebaut – Ghettos wäre wohl eine passendere Bezeichnung – wo sie zusammengepfercht werden und auf Kosten der EU-Bürger so lange verwöhnt werden, bis sie vollständig vergessen haben, wie glücklich sie vor Jahren in ihrem primitiven Dörfchen mit ihren selbstgebauten Strohhütten waren. Eine Gruppe von ihnen hat jetzt eine klimatisierte Sportshalle gefordert, um Rugby zu spielen. Vor wenigen Jahren noch sind sie mit großer Freude auf einem staubigen Dorfplatz einem Ball hinterher gerannt und haben sich keine Gedanken über das Wort „klimatisiert“ gemacht.

– Wer von unseren Politikern hat sich schon mal Gedanken darüber gemacht, was geschieht, wenn wir mit allen Mitteln versuchen, einen Exportüberschuss zu erwirtschaften? Sind sie sich der Tatsache bewusst, dass jeder Euro, der den Überschuss ausmacht, irgendwo in der Welt als Defizit auftaucht? Wie ehrlich sind die Tränen, die wir verdrücken, wenn wir von Armut in Ländern hören, die Defizit erwirtschaftet haben? Wer kann davon profitieren, wenn wir Armut exportieren, die Armen unter größten Entbehrungen und Gefahren zu uns kommen lassen, um ihnen dann großzügig mit Almosen unter die Arme zu greifen?

– Wie hypokritisch muss ein Politiker sein, der mit großem Pathos Kriegsopfer im Nahen Osten und in Nordafrika bedauert, wenn man weiß, dass sein Land massiv Waffen in diese Region liefert. Waffenembargos werden ganz elegant durch Lieferungen des Kriegsarsenals an den Katar umschifft.

– Was sind die Bilder wert, die mit großer Regelmäßigkeit über Rettungsaktionen im Mittelmeer berichten, wenn wir die Realität genauer unter die Lupe nehmen: Die Zahl der Ertrunkenen stieg von 500 (2012) über 700 (2013) auf fast 3000 (2014) und 3250 (Januar bis August 2015). Die Rettungsaktionen haben den Schleppern noch mehr Kunden zugeführt, weil die Aussicht auf Rettung in den Augen der Migranten noch angestiegen ist.

Es fehlt ganz einfach die Hilfe am Ort des aufkommenden Problems. Hier etliche Anregungen:

– Eine nachhaltige (Politiker benutzen ja diesen Ausdruck mit großer Vorliebe) Entwicklungspolitik, muss vor allem dann zum Tragen kommen, wenn die Hilfe ausläuft. Kompetenzvermittlung und Sozialisierung sind unumgängliche Schritte, um Menschen zur Selbständigkeit zu führen.

– Ein definitiver Stopp von Waffenlieferungen in Krisenländer, aber vor allem auch in Länder, die mit ihnen sympathisieren.

– Faire Handelsabkommen mit Ländern der Dritten Welt, die den Menschen dieser Länder die Möglichkeit geben, ihre Produkte zu fairen Preisen zu verkaufen und zu exportieren und mit diesem Geld hochwertige Produkte (und nicht abgelutschte Hühnerknochen) aus unseren Ländern zu importieren.

– Behandeln von Migrationsproblemen dort, wo die Migranten her kommen. Ein EU-Büro in jedem Land, aus dem Migranten zu erwarten sind (dort, wo das nicht möglich ist, soll es so nahe wie möglich bei dem Heimatland auf seinem voraussichtlichen Migrationsweg sein); hier können Anfragen betreffs Ausreise in ein EU-Land verbindlich behandelt werden, in dem Sinne, dass es jedem klar sein müsste, dass ein Auswandern aus seinem Heimatland ohne Genehmigung des EU-Büros vollkommen sinnlos sei. Spätestens aber vor dem gefährlichen Seeweg über das Mittelmeer müsste diese Selektion durchgeführt werden. Dies würde zusätzlich das menschenverachtende Treiben der Schlepper zum größten Teil verhindern.

– Noch ein Wort zu Einwanderer aus dem Balkan. Aus persönlichen Gesprächen mit Freunden aus verschiedenen Balkanländern geht eines ganz klar hervor: es sind gerade die Leute, die in unseren EU-Ländern nach Arbeit suchen, die in ihren Ländern am meisten vermisst werden. Sie haben die Ausbildung, die dringend erfordert ist, um ihre Industrie aufzubauen. Jeder, der fortläuft, steigert die Not in seinem Heimatland.

Bei jedem einzelnen, der in Deutschland ankommt, müsste eins ganz klar sein: wir sind ein tolerantes Volk, aber die Grenzen der Toleranz sind vom Grundgesetz und den Gesetzen festgelegt. Dies müsste jeder Einwanderer wissen und sich schriftlich dazu verpflichten, das Land, seine Gesetze, seine Bewohner mit ihrer Kultur zu respektieren. Er müsste sich weiter bewusst sein, dass jede Zuwiderhandlung gegenüber seiner Verpflichtung unwiderruflich seine sofortige Ausweisung zur Folge haben wird. Parallelgesetze für bestimmte Gruppen von Leuten (z.B. Scharia) sind absolut unannehmbar. Die Grenzen eines Landes sind definiert als der Bereich, innerhalb dessen die Gesetze des Landes – und keine anderen – für jeden Menschen volle Gültigkeit haben. Wer das nicht annehmen kann, ist fehl am Platz.

Ich möchte mit diesem Gedanken schließen. Ich wünsche mir sowohl von der Politik als auch von den Medien eine objektive Darstellung der gegebenen Lage. Es ist niemandem gedient, das Land in Gute und Schlechte, in hell und dunkel, ordentliche Menschen und Pack einzuteilen. Es ist Manipulation, wenn nur die Nachrichten verbreitet werden, die die positive Seite der aktuellen Völkerwanderung hervorheben. Niemand ist Rassist, oder Nazi, der sich ernsthaft Sorgen über die Zukunft seines Landes macht und dabei zu anderen Schlussfolgerungen kommt wie der „Main Stream“. Denn sehr oft entpuppt sich gerade das, was am lautesten hinausposaunt wird, als großer Irrtum.


Der Autor ist nationaler Pastor in Luxemburg, war 32 Jahre Hochschullehrer für Elektrotechnik und von 1999 bis 2013 Vorsitzender der Evangelischen Allianz in Luxemburg.